Pelagia und der rote Hahn
mit den flachen Händen auf die Knie. »Ich fahr nich!«
»Warum denn nicht?«
Er zählte an den Fingern ab:
»Sumpffieber. Eins. Beduinenräuber. Zwei. Tscherkessenräuber. Drei. Zahl was woll‘, ich fahr nich.«
Die Nonne begriff, dass er das nicht sagte, um den Preis in die Höhe zu treiben, sondern dass es sein letztes Wort war.
Also hatte sie ihre Zeit ganz umsonst verschwendet!
Verdrossen stellte Pelagia ihre Tasse ab.
»Und vorhin hast du noch geprahlt: Ich fahre, wohin du willst.«
»Fahre ich, wohin du willst, aber nich dahin«, sagte Salach schroff.
Fatima bemerkte, dass der Gast die Kaffeetasse nicht mehr anrührte, und stellte ihrem Mann eine Frage. Der antwortete, wahrscheinlich erklärte er ihr, worum es ging.
»Und gelogen hast du auch schon wieder«, konstatierte Polina Andrejewna bitter. »Mir hast du erzählt, du hättest eine russische Frau, und den Amerikanern hast du vorgeflunkert, du hättest eine amerikanische.«
»Wer gelogen? Ich gelogen? Salach nie gelogen!«, rief der Palästinenser empört.
Er klatschte in die Hände und rief:
»Marusja! Annabelle!«
In der Türöffnung erschien eine Frau, die zwar orientalisch gekleidet war, aber solche roten Wangen und so ein stupsnasiges Gesicht hatte, dass kein Zweifel an ihrer Nationalität bestehen konnte. Um den Kopf trug sie ein arabisches Tuch, das aber nicht nach Landessitte unter dem Kinn zusammengebunden war, sondern im Nacken, nach Art der russischen Bäuerinnen.
Die Slawin klopfte sich die mehligen Hände ab und schaute Salach fragend an.
»Hierher, komm!«, befahl er und rief noch lauter: »Annabelle!«
Als keine Antwort erfolgte, stand er auf und verschwand im Haus.
Drinnen hörte man ihn rufen:
»Honey! Darling! Come out!«
»Sind Sie wirklich Russin?«, fragte Polina Andrejewna. Die rundgesichtige Frau nickte und trat näher.
»Sie sind Natascha, stimmt’s? Das hat Ihr Gatte mir erzählt.«
»Nee, ich bin Marusja«, brummte die Landsmännin in tiefem Bass, in der behäbigen Sprechweise der Bauern. »Für die Mannsbilder hier sin alle unsre Weiber Nataschas. Is bei den so Sitte.«
»Gibt es denn hier viele russische Frauen?«
»Jede Menge«, berichtete Marusja, nahm eine kandierte Frucht aus der Schale und schob sie sich zwischen die dicken Lippen. »Wer bissl im Kopp hat von die Pilgerweiber, wird doch nich von hier wech gehn. In Russland kannste bloß imma ochsen wie’n Bulle, un dein Mann is am Saufen, un im Winter frierste dir alles ab, nee. Hier is schön. Hastes warm, un frei biste, un lecker Sachen, Beeren und Früchte un alles. Un wenn de dir’n Mann findest – das reinste Paradies! Der Arab, der lässt die Pfoten vom Wodka, un zärtlich isser, und denn haste ihn auch nich alleine am Hals. Wenn drei, vier Weiber da sin, is imma besser! Stimmt’s nich, Fatimuschka?«
Sie plapperte etwas auf Arabisch, übersetzte, was sie gerade gesagt hatte.
Fatima nickte, goss sich und Marusja Kaffee ein, und beide setzten sich auf den Rand des Podests.
Aus dem Haus klangen immer noch englische Wortfetzen zu ihnen heraus.
Marusja schüttelte den Kopf.
»Anna kommt nicht raus. Sie schreibt ein Buch.«
»Wie bitte, was macht sie?« Pelagia blinzelte verdutzt. »Was für ein Buch?«
»Über das Weiberleben. Dafür hat sie ja geheiratet. Ich leb ein Jahr mit ei’m arabischen Mann, sagt sie, und danach schreib ich ein Buch, so eins hat’s noch nich gegeben. Das Buch soll heißen« – und Marusja sprach, ohne ein einziges Mal ins Stocken zu kommen: »›Laif-in-än-areibiän-harem-sien-from-in-said.‹ Das ist amerikanisch und heißt: ›Mär von den arabischen Männern.‹ Sie sagt, so ein Buch, das kauft ganz Amerika, da wird sie Millionen mit verdienen. Anna is nämlich ein studiertes Weib, und so klug is die – glaubste nich. Fast wie die Fatimka hier. Und dann, sagt sie, fahr ich nach China und heirate ein Chinesen, un da schreib ich auch ein Buch drüber: ›Mär von den chinesischen Männern‹. Die Weiber solln wissen, wie unsre Schwestern anderswo leben.«
Polina Andrejewna, die das alles hochinteressant fand, rief aus:
»Aber wie kann sie denn Weggehen? Sie ist doch verheiratet!«
»Och, das is ganz einfach. Das geht nirgends so leicht wie hier. Salascha sagt dreimal: ›Du bist nich mehr meine Frau‹, un fertich, man kann gehen, wohin man will.«
»Und wenn er es nicht sagt?«
»Ach, der sagt das schon, ob er will oder nich. Und nich nur dreimal, sondern dreiunddreißigmal. Jedes Weib treibt einen
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