Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pelagia und der rote Hahn

Pelagia und der rote Hahn

Titel: Pelagia und der rote Hahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
Vom Netzwerk:
Mann zum Wahnsinn, wenn sie es bloß will. Und drei Weiber gleichzeitig . . .«
    Marusja übersetzte Fatima, was sie gesagt hatte, und die nickte.
    So zu dritt zu sitzen, leckeren starken Kaffee zu trinken und über Frauendinge zu plaudern, das war für die Nonne eine ungewohnte und spannende Sache. Für kurze Zeit vergaß sie so gar ihre dringende Angelegenheit.
    »Aber wie vertragt ihr euch denn alle mit einem Mann?«
    »Na, prima. Fatimka allein hatte es ja ziemlich schwer mit ihm: der ganze Haushalt un die Kinder un alles. Da hat sie mich noch als Ehefrau geholt – wir haben uns auf dem Markt kennen gelernt. Sie hat gesehen, ich bin ein kräftiges Weib, kann arbeiten un bin nich schlampig.«
    »Und Salach war einverstanden?«
    Marusja lachte und übersetzte ihrer Kameradin die Frage. Die kicherte ebenfalls los. Sie sagte (und Marusja übersetzte ins Russische):
    »Wer hat ihn denn gefragt?«
    Für Polina Andrejewna war das alles schrecklich interessant.
    »Und was tut die Amerikanerin bei euch?«
    »Die Anna? Die lernt die Kinder und rackert sich im Bett für uns ab. Vor allem inne heiße Jahreszeit. Sie ist jung und dünn, ihr wird nicht so schnell heiß. Und für ihr Buch ist das auch gut. Wenn sie fertig is, dann geht sie, und dann nehmen wir eine andere, auch wieder eine junge. Das haben wir schon abgemacht. Vielleicht diesmal eine kleine Jüdin von hier. Die sind rührig.«
    »Erlaubt denn der Islam, Jüdinnen zu heiraten?«
    Marusja wunderte sich.
    »Was denn, meinst du, ich hätt meinen Glauben gegen den ihrn umgetauscht? Nee, mein Spatz, das kommt ja überhaupt nich in Frage! Wie ich geborn bin, so sterbe ich auch. Und Salascha hat mich ja nich gezwungen. Der Islam is gar kein schlechter Glauben. Die Christen und Juden, die sind für die Muselmanen ›Menschen des Buches‹, also das is die Bibel. So ne zu heiraten is für die nichts Schlimmes. Verdammte Heidenweiber dürfen sie nich heiraten, aber hast du schon ma welche gesehen, solche Heidenweiber?«
    Hier sagte Fatima zum ersten Mal etwas, ohne die Übersetzung abzuwarten.
    »Sie fragt, warum du so dringend nach Megiddo willst?«
    »Ich muss unbedingt einen Mann finden, aber Salach will nicht, er hat Angst. Nicht einmal für fünfzig Rubel.«
    Die schnurrbärtige Dicke schaute die Besucherin aufmerksam an, als wolle sie sie abschätzen.
    »Liebst du ihn sehr?«
    Diese unerwartete Frage brachte Pelagia vollkommen durcheinander, und sie wusste nicht, wie sie es erklären sollte. Das Einfachste war eine Lüge:
    »Ja . . .«
    Spach’s und lief feuerrot an. Wie beschämend für eine Nonne, so zu lügen.
    Aber Fatima deutete das Rotwerden auf ihre Weise.
    »Sie sagt: Wenn du rot geworden bist, musst du ihn wirklich lieben.«
    Die Ehefrauen redeten eine Weile auf Arabisch miteinander. Dann strich die Ältere Polina Andrejewna über die Wange und sagte ein paar Worte zu ihr.
    »Er fährt«, übersetzte Natascha-Marusja. »Und die fünfzig Silberrubel, die gibst du Fatima.«
    Ein Malheur
    Die lange Reise über Berg und Tal und Meereswellen hatte Jakow Michailowitsch in eine philosophische Stimmung gebracht. In seinem Beruf wurde es einem nicht allzu oft zuteil, so friedlich und gemächlich über das Antlitz von Mutter Erde dahinzufahren. Besonders erquicklich war es auf dem Wasser gewesen. Man brauchte nicht unentwegt das Objekt im Auge zu behalten, es konnte ja sowieso nicht entwischen. Im Gegenteil, man musste sogar darauf achten, ihm nicht zu viel vor der Nase herumzuscharwenzeln, damit man nicht auffiel. Während der Seereise hatte Jakow Michailowitsch sogar ein kleines Bäuchlein bekommen, von dem guten Essen und dem gesunden Schlaf im Liegestuhl an Deck.
    Doch das wohlverdiente Fett war sehr schnell wieder runtergeschwitzt. Versuch mal, siebzig Werst durch sengende Hitze bloß auf Schusters Rappen abzureißen!
    Im Heiligen Lande angekommen, hielt Jakow Michailowitsch es für geboten, sein Außeres wieder einmal zu verändern. Auf dem Schiff war er ein unauffälliger Herr mit Panamahut und leinenem Zweiteiler gewesen; jetzt wurde daraus ein noch unauffälligerer Pilger. Davon schleppten sich ja schier unüberschaubare Mengen durch die Heilige Stadt Jerusalem.
    Das Objekt setzte die Reise mittels zweier Pferdestärken fort - ziemlich miserabler Pferdestärken allerdings, sodass er sich kein Bein ausreißen musste.
    In Jerusalem dann schien es Jakow Michailowitsch am zweckmäßigsten, sich in einen Juden zu verwandeln. Die waren hier in einer kolossalen

Weitere Kostenlose Bücher