Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pelagia und der rote Hahn

Pelagia und der rote Hahn

Titel: Pelagia und der rote Hahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
Vom Netzwerk:
Magellan betrat den Raum.
    Pelagia erkannte ihn sofort, obwohl der Anführer der Kommunarden sich inzwischen verändert hatte. Er war braun gebrannt, der Schnurrbart war länger geworden und an den Enden nach oben gezwirbelt, und das Haupt des jüdischen Kämpen zierte ein gewaltiger, operettenhafter Sombrero.
    Der Eintretende würdigte die Frau keines Blickes. Er legte die Hand an die geöffnete Revolvertasche und verkündete, ohne sich zu setzen:
    »Also hör zu, alter Gauner. Erstens, du gibst uns alles zurück. Zweitens, du versprichst, den Arabern das abzunehmen, was sie uns in der Nacht gestohlen haben. Drittens zahlst du uns zwanzig Hammel als Strafe. Dann werden wir abziehen.«
    »Hammel soll ich dir geben?«, knurrte Daniel-Beg. »Nein, Jude, wir machen es anders. Du gibst alle eure Gewehre raus, dann lassen wir euch abziehen. Wozu braucht ihr Juden Gewehre? Ihr zahlt uns jeden Mond fünfhundert Franken, und niemand wird euch mehr belästigen. Ich habe davon gehört, dass man der toten Jüdin ihre Kleider gestohlen hat. Ich spreche mit Scheich Jussuf, er wird sie zurückgeben. Uberleg’s dir, Jude. Meine Dshigiten werden euch nicht vor die Flinten laufen wie Hasen. Es gibt kein Wasser im Turm. Morgen oder übermorgen kommt ihr ganz von selber raus, und dann knallen wir euch ganz leicht ab.«
    Magellan schwieg. Seine Kiefer mahlten, und seine hellen Augen verengten sich zu Schlitzen.
    »Tscherkesse, deine Hütten sind nur aus Lehm und Kamelmist zusammengeklebt. Da schlagen die Kugeln hindurch wie nichts. Ich lasse ein paar Salven abfeuern, und bald hast du hier statt Häusern bloß noch einen großen Haufen Dreck, rot vom Blut deiner Frauen und Kinder.«
    Auch der Beg schwieg eine Weile, bevor er antwortete:
    »Ihr seht nicht aus wie uljad-el-mot. Vielleicht seid ihr gar keine echten Juden? Oder sind die, die vor euch hergekommen sind, keine echten?«
    »Echtere als uns gibt’s nicht. Und solche wie wir kommen jetzt immer mehr.«
    »Dann wird man euch alle totschießen müssen. Selbst wenn ihr uns alle Frauen und Kinder umbringt«, sagte Daniel-Beg mit dumpfer Stimme. Die Fingerknöchel der Hand, die den Griff umklammert hielt, wurden weiß. »Sonst reißt ihr das ganze Land an euch, und bald gibt es hier keinen Araber und keinen Tscherkessen mehr.«
    »Du bist der Beg, du musst entscheiden.«
    Die beiden Männer maßen sich mit finsteren, starren Blicken. Pelagia bemerkte, wie der Dolch lautlos aus der Scheide gezogen wurde. Magellans Hand schob sich an den Revolvergriff.
    »Jetzt reicht ’s mir aber!«, rief da die Nonne böse und schlug mit der Hand auf den Tisch.
    Die beiden Widersacher, die ihre Gegenwart völlig vergessen hatten, zuckten zusammen und starrten sie verblüfft an.
    »Kaum stoßt ihr Männer auf ein paar Schwierigkeiten, schon wollt ihr irgendwen ›umbringen‹, und als Allererstes werden natürlich, wie üblich, die Frauen und Kinder umgebracht! Nur ein Dummkopf schlägt die Tür mit dem Schädel ein, weil er nicht genug Verstand hat, den Schlüssel zu gebrauchen! Vernünftige Menschen haben eine andere Verwendung für ihre Köpfe! Über euch beide wird man später einmal sagen: Zwei Dummköpfe konnten sich nicht einigen, und deshalb haben sich die Tscherkessen und Juden in ganz Palästina gegenseitig umgebracht! Geben Sie ihm, was Sie ihm gestohlen haben«, sagte Pelagia, zum Beg gewandt. »Und Sie, verehrter Herr Magellan, vergessen Sie Ihre Strafe. Was wollen Sie denn mit den Hammeln? Sie wissen ja nicht einmal, wie man sie schert!«
    Nichts schien sich nach diesen Worten in dem Zimmer verändert zu haben – der Beg hielt immer noch seinen Dolch umfasst, Magellan den Revolver, und trotzdem hatte sich die Spannung unmerklich gelöst. Die Männer sahen einander wieder in die Augen, aber jetzt nicht mehr drohend, sondern fragend.
    »Ich habe Sie doch schon mal irgendwo gesehen«, murmelte Magellan, ohne Pelagia anzusehen. »Ich weiß nicht mehr wo, aber ganz bestimmt habe ich Sie schon mal gesehen . . .«
    Aber an seinem Tonfall war zu erkennen, dass ihn das jetzt nicht weiter interessierte. Was auch nicht verwunderlich war.
    Der Beg, als Mann mit größerer Weitsicht und reicher an Erfahrung, tat den ersten Schritt zur Versöhnung.
    Er legte beide Hände auf den Tisch und sagte:
    »Die Fürstin hat Recht. Ein Dshigit und ein Dshigit können sich immer einigen.«
    Auch Magellan nahm die Hand vom Revolver und legte sie an die Brust.
    »Na gut, vergessen wir die Strafe. Aber was ist mit

Weitere Kostenlose Bücher