Pelagia und der rote Hahn
unterwegs, stimmt’s? Und die Kutte hast du bestimmt ausgezogen, weil es so warm darunter ist? Klar, in einem Seidenkleid ist es ja auch viel angenehmer bei der Hitze. Wahrscheinlich bist du keine Nonne, sondern eine Novizin, stimmt’s?«
Pelagia brauchte nur zu nicken.
Erst als die Sonne schon in der westlichen Himmelshälfte stand, machten sie sich auf den Weg nach »Neu-Megiddo«.
Malke spannte das zurückeroberte Pferd vor einen tscherkessischen Wagen, die beiden Kühe band sie hinten an. Die Egge und die lädierte, aber ungeöffnete Eisenkiste legte sie auf die Ladefläche, obendrauf die Säcke mit dem Saatgut, dann setzten sich die beiden Frauen nebeneinander auf den Bock, und los ging’s.
Salach rumpelte mit seinem Hantur hinter ihnen her und sang aus voller Kehle alle möglichen disharmonischen Lieder. Er war glücklich, sein Gespann ohne Lösegeld wiederbekommen zu haben.
Polina Andrejewna schaute begeistert zu, wie geschickt ihre neue Freundin das schwer beladene Fuhrwerk lenkte: Malke saß im Türkensitz da (ihre braun gebrannten Knie sahen aus wie zwei knusprig gebratene Ferkel), das Gewehr quer über die Schulter gehängt, und ließ die Peitsche knallen. Dabei stand ihr Mund keine Minute still.
Das Gespräch war leicht und unbeschwert, wie zwischen zwei jungen Mädchen.
»Pola, ich kann überhaupt nicht begreifen, warum du Nonne werden willst! Wenn du so eine hässliche Vogelscheuche wärst, aber du bist eine richtige Schönheit, wirklich. Du bist bestimmt unglücklich verliebt, stimmt’s? Aber trotzdem, selbst dann darf man sich nicht in einem Kloster einsperren! Ein Kloster ist so eine winzige, enge Welt, und die große, weite Welt ist doch so interessant! Das ist ja, als wäre ich in meinem Borissowo geblieben, da wäre ich alt und grau geworden und hätte nie erfahren, wie ich wirklich bin. Früher dachte ich immer, ich sei furchtbar feige, aber weißt du, wie mutig ich in Wirklichkeit bin? Du denkst vielleicht, Magellan hat mich nicht in das arabische Dorf mitgenommen, weil ich eine Frau bin? Von wegen! Wenn es dort ein Gefecht gäbe, dann wäre ich auf jeden Fall mitgegangen. Er hat zu mir gesagt, Malli, meine Kleine, du bist die Gescheiteste von allen, das kann ich nur dir anvertrauen. – So nennt er mich manchmal, nicht Malke, sondern Malli, oder meine Kleine. – Bring alles heil nach Hause, hat er gesagt, und pass auf, dass diese beiden Tolpatsche, der Kolloseum und der Schlomo – sie sind wirklich ein bisschen langsam im Kopf –, mein Pferd erst herumführen, bevor sie ihm Wasser geben. Und sie sollen das Saatgut zum Trocknen auslegen, weil es feucht geworden ist vom Nachttau.«
Obwohl Pelagia sich ein wenig schämte, die Offenheit dieses netten Mädchens auszunutzen, ergriff sie trotzdem die erste Gelegenheit (als Malke gerade erzählte, wie abgeschieden die Kommune dort in ihrem Tal lebte), spielte die Unwissende und fragte: »Kommen denn nicht manchmal Fremde zu euch zu Besuch?«
»Selten. Die Rothschild-Juden halten uns für verrückte Gottlose. Zu den Arabern haben wir auch ein sehr schlechtes Verhältnis. Und wie es mit den Tscherkessen steht, hast du ja selbst gesehen.«
»Aber vielleicht irgendwelche Wanderer oder Pilger? Man hat mir erzählt, Palästina sei voll von Wanderpredigern«, hakte die Nonne nach, nicht allzu geschickt auf das gewünschte Thema überlenkend.
Malke lachte hell auf.
»Ach, so einer ist mal bei uns vorbeigekommen! So ein Prophet. Der war vielleicht ulkig. Er kam übrigens aus Russland. Erinnerst du dich noch an diesen Manuila, der auf dem Dampfer umgebracht wurde? Das heißt, das war er gar nicht, wie sich dann herausstellte, sondern jemand ganz anderes! Das erzähle ich dir später. Jedenfalls, dieser Manuila hat sich dann Immanuel genannt, als er ins Heilige Land kam, weil‘s besser klingt.«
Und sie lachte wieder.
Wenn sie lachte, konnte das ja nur bedeuten, dass ihm nichts Schlimmes zugestoßen war. Pelagia fiel ein Stein vom Herzen.
»Und ist es schon lange her, dass er bei euch war?«
Das Mädchen zählte schnell an seinen kurzen Fingern ab und sagte:
»Vor sieben, nein, vor acht Tagen. Ach ja, das war in der Nacht, als sie Polkan erschlagen haben.« Vollkommen übergangslos schluchzte sie auf, zog die Nase hoch und lachte schon wieder. »Er ist auch für Erez Jissrael gestorben, der Polkan.«
»Für wen?«
»Für den Staat Israel. Polkan, das war nämlich unser Hund. Er ist uns in Jaffa zugelaufen. So was Kluges, sag ich dir,
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