Pelagia und der rote Hahn
lieber zusehn, dass sie hier wegkam, der Chef des Sicherheitsdienstes war ein ehemaliger britischer Oberst, mit dem war nicht gut Kirschen essen. Er würde die Ruhestörerin den türkischen Wachleuten übergeben und außerdem Said-Bej für seine Nachlässigkeit bestrafen; und der würde an dem neugierigen Dummerchen dann sein Mütchen kühlen, diese Orientalen waren nicht gerade die geborenen Gentlemen.
Jakow Michailowitsch lauscht
Er hätte nie im Traum daran geglaubt, dass die Sache so glatt gehen würde. Er hatte richtig Glück gehabt. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort, wie man sagt.
Dabei hätte er sich zuerst am liebsten ins Ohr beißen mögen vor Ärger, weil er sich in dieser klebrigen Blumenerde sozusagen lebendig begraben hatte. Wie hatte er sich selber verflucht, während sie da im Schneckentempo die Chaussee entlangzu-ekelten. Was für eine Affenhitze herrschte da in seinem Versteck, und überall krochen ihm die Würmer in die Kleider. So ein freches Aas hatte sich ihm sogar ins Nasenloch gebohrt, ein Wunder, dass er keinen Niesanfall bekam.
Zum Atmen hatte er ein Schilfrohr durch die Erde gesteckt. Später bastelte er sich auch was zum Rausgucken. Jakow Michailowitsch hatte nämlich einen langhalsigen Tonkrug mit Trinkwasser mitgenommen. Den Inhalt hatte er sich nach und nach einverleibt (und nebenbei auch ein Häppchen von Mutter Erde gekostet), und jetzt dachte er sich für das Gefäß eine neue nutzbringende Verwendung aus. Er brach einfach den Hals vom Korpus ab, wodurch eine Art Rohr entstand. Dieses ruckelte er vorsichtig durch die Erde nach draußen, und fertig war der Ausguck. Der Krug hatte dieselbe Farbe wie die Erde, sodass von außerhalb auch auf zwei Schritt Entfernung nichts zu erkennen war. Genau genommen eröffnete sich ihm dadurch kein besonders weites Blickfeld, aber besser als gar nichts. Es war ein bisschen wie ein Fernrohr, oder dieser komische Stab, den sie in Unterseebooten haben. Periskop hieß der.
Als dann die Fuhre an ihrem Bestimmungsort angekommen war, da zeigte sich erst, was für ein Glück er gehabt hatte. Der Rotfuchs nämlich, den Jakow Michailowitsch die ganze Zeit über durch sein Periskop im Auge behalten hatte, kam genau zu diesem Fleck hingetappelt. Sie kletterte aus ihrem Elendsgefährt und stellte sich hinter einem Rosenbusch auf, so nah, dass er sie von seinem Beobachtungspunkt aus mit der Hand hätte erreichen können.
Die Nonne seufzte und jammerte ein bisschen herum, wie sie denn jetzt in die Stadt käme. Ihren Araber allerdings, diesen Salach, rührte das nicht im Geringsten.
»Du musst dich einfach als Junge verkleiden, du dusslige Ziege«, knurrte der heimliche Beobachter vorwurfsvoll. »Na los, noch hast du Zeit, tummle dich!«
Aber die trat nur von einem Bein aufs andere und seufzte weiter.
Allerdings machte er sich nicht wirklich Sorgen um sie. Er wusste aus schmerzlicher Erfahrung, dass sie ganz und gar nicht dusslig war und ihr ganz bestimmt etwas einfallen würde. Die gab nicht so schnell auf. Es war schon ein guter Einfall gewesen, auf die Rote zu setzen, das hatten sie sich schlau überlegt.
Viel eher sorgte er sich, dass sie ihm womöglich wieder entwischen könnte. Ein verdammt fixes Aas war die, und unberechenbar! Schließlich konnte der Herrgott nicht jedes Mal extra für Jakow Michailowitsch ein Wunder herbeizaubern.
Plötzlich hörte er Schritte. Dann sagte eine hohe, fistelnde Stimme, die irgendwie weder männlich noch weiblich klang:
»Madame, vous n’avez pas le droit de rester ici.« (»Madame, Sie dürfen sich hier nicht aufhalten.« , franz.). Und dann ein erstaunter Ausruf auf Russisch: »Sie!?«
Jakow Michailowitsch richtete sein Periskop nach der seltsamen Stimme aus. In seinem Guckkreis erschien ein ältliches, stark geschminktes Weibsbild. Sie trug eine schwere Perücke, ein leichtes, wallendes Kleid und Sandalen an den Füßen (ziemlich großen Füßen übrigens). Alles klar, ein Sodomit in Frauenkleidern.
Die Nonne freute sich über den alten Päderasten wie über die eigene Mutter.
»Ach, was für ein Glück, dass ich Sie hier treffe! Guten Tag, liebe Iraida!«
»Irodiada«, korrigierte der verkleidete Kerl, patschte ebenfalls die Hände zusammen und plapperte drauflos: »Wie kommen Sie denn hierher, meine Liebe? Und warum tragen Sie keine Kutte? Was machen Sie hier?«
Der Rotfuchs antwortete nicht gleich, und Jakow Michailowitsch schwenkte sein Guckrohr auf sie um. Die Nonne runzelte die Stirn, als sei sie
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