Pelagia und der rote Hahn
aufzubauen. Die Arbeiten haben schon begonnen. Wir werden uns ganz bestimmt gut mit unseren Nachbarinnen verstehen. Die Menschen verstehen sich ja auch mit den Delfinen, zum Beispiel, nur ist das Lebenselement der Delfine eben das Meer, das der Menschen aber das Land, aber letztendlich erwartet ja auch niemand, dass Menschen und Delfine Geschlechtsverkehr miteinander haben!«
Der amüsante Schwindler war vollkommen hingerissen von der Schönheit der Gebäude und von den zahlreichen, überaus beeindruckenden technischen Errungenschaften, die es in Sodom zu bestaunen gab: eine elektrische Straßenbahn, zum Beispiel, die von der Akropolis bis zum Strand fuhr, einen Kinematographen, eine Kunsteisbahn und vieles, vieles mehr.
Am meisten aber interessierte sich der Pseudoprophet für die Beziehungen der Einwohner untereinander. Gibt es bei Ihnen auch Familien, fragte er, oder lebt jeder für sich allein?
Irodiada, die sich schon auf den Moment der Entlarvung freute, antwortete ausgesucht höflich, es gebe nur wenige Familien im eigentlichen Sinne, mit Kindern usw., wie sie selber eine habe. Viele lebten mit einem festen Partner zusammen, die meisten aber genössen einfach die neue Freiheit und Sicherheit.
Dann drängelten Sbyschek und Rafek, man solle doch zusammen ins Labyrinth gehen. Das war so ein Ort, wo die Jugend sich im Dunkeln in allen möglichen Obszönitäten erging. Aber Irodiada lehnte ab, denn sie war aus dem Alter heraus, in dem der Mensch sich schmuddeligen Fleischeslüsten hingibt, heute legte sie größeren Wert auf die Gefühle. Zu ihrem Erstaunen wollte der Vagabund ebenfalls nicht ins Labyrinth, er sagte, diese Spielereien seien nichts Neues für ihn, das habe es schon bei den alten Griechen gegeben, und bei den Römern und Babyloniern auch.
So kam es, dass Irodiada plötzlich mit ihm allein war.
»Nun, Mann Gottes, wird der Herr uns für unsere Sünden wieder mit Feuer und Schwefel übergießen?«, fragte sie spöttisch und deutete mit dem Kopf zum Labyrinth, aus dem Gelächter und wildes Geschrei herüberklangen.
»Dafür wohl kaum«, sagte der »Prophet« und zuckte mit den Achseln. »Schließlich vergewaltigen sie sich ja nicht gegenseitig. Wenn es ihnen Freude bereitet, warum denn nicht? Die Freude ist heilig, der Kummer aber ist von Übel.«
»Gut gesagt, Prophet!«, amüsierte sich Irodiada. »Womöglich bist du ja am Ende einer von uns?«
Was hatte er noch geantwortet?
Nein, sagte er darauf, ich bin keiner von euch. Ihr tut mir Leid. Der Weg eines Mannes, der Männer liebt, ist kummervoll und führt ihn in die Verzweiflung, denn er ist unfruchtbar.
Er hatte es irgendwie anders ausgedrückt, umständlicher, aber das war ziemlich genau der Sinn seiner Worte gewesen, Irodiada hatte sich sogar richtig erschrocken und hatte noch versucht, einen Scherz zu machen:
»Unfruchtbar? Weil wir keine Kinder zur Welt bringen?«
Da sagte er ganz ernst: »Auch deshalb, aber nicht nur deshalb. Der Mann ist die dunkle Hälfte der Seele, die Frau die helle. Weißt du, wie eine neue Seele entsteht? Dadurch, dass sich vom göttlichen Feuer ein kleiner Funke löst. Und er löst sich, wenn die beiden Hälften der Seele, die helle und die dunkle, aufeinander stoßen und zu begreifen versuchen, ob sie ein Ganzes sind oder nicht. Ihr Bedauernswerten aber werdet niemals eure zweite Hälfte finden können, denn Dunkel und Dunkel kommen niemals zusammen. Deine Seelenhälfte wird zugrunde gehen und verlöschen. Das ist ein schweres Los, denn es bedeutet ewige Einsamkeit. Wie oft ihr auch aufeinander stoßt, es wird sich kein Funke lösen. Darin liegt das Unglück – nicht in der Sünde des Körpers, sondern in der Verirrung der Seele.«
Irodiada vergaß vollkommen, dass sie doch eigentlich den Selbsternannten hatte auslachen wollen. Was spielte es schon für eine Rolle, wer er in Wirklichkeit war? Der Vagabund hatte ausgesprochen, was sie selber fühlte, aber nie hatte in Worte fassen können.
Sie begann zu widersprechen.
Selbstverständlich ging es ganz und gar nicht um das Körperliche. Bei ihr war es so gewesen, dass sie die leidenschaftliche Vereinigung mit ihrem Geliebten gar nicht mehr so notwendig brauchte, nachdem der Reiz des Verbotenen erst einmal verschwunden war, und man sich nicht mehr vor der Gesellschaft verstecken musste. Viel wichtiger waren ihr jetzt die Zärtlichkeit und Geborgenheit, wie man sie mit einer Frau niemals erleben kann, weil Frauen nun einmal anders sind. Hier brauchte man sich
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