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Pelagia und der rote Hahn

Pelagia und der rote Hahn

Titel: Pelagia und der rote Hahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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eines davon. Pelagia hatte doch erzählt, dass Sergej Sergejewitschs Frau nach der Trennung den gemeinsamen Sohn zu sich genommen hatte.
    Also absolut nichts Geheimnisvolles. Der Vater war auf Reisen gewesen und hatte Sehnsucht bekommen. Offenbar wollte er sich seinem Sohn nicht zeigen – entweder weil er ein Versprechen gegeben hatte oder weil er zu stolz war. Vielleicht wollte er auch einfach den Jungen nicht quälen, der sich inzwischen an einen neuen Vater gewöhnt hatte.
    Im Grunde ein ganz normales, ganz menschliches Verhalten. Trotzdem war Berditschewski überrascht. Irgendwie erwartet man von einem Verbrecher, der Mörder dingt und unschuldiges Blut vergießt, kein normales menschliches Verhalten.
    Oder war Dolinin kein Verbrecher?
    Aber der Staatsanwalt war schließlich kein naiver Jüngling mehr, das Leben und der Dienst hatten ihn gelehrt, dass nicht alle Verbrecher solche finsteren Gestalten waren wie der Graf Tscharnokuzki. Dennoch war Matwej Benzionowitsch ein wenig irritiert – er konnte und wollte einfach nicht akzeptieren, dass in diesem Unhold, der Pelagia vernichten wollte, auch nur ein Funken Menschlichkeit sein sollte.
    Aber eine giftige Natter liebt ihre Brut ja auch, brummelte der Staatsrat und versuchte, die unangemessenen Zweifel zu verscheuchen.
    Die Stadt war jetzt endgültig erwacht, die Straßen füllten sich mit Equipagen, auf den Trottoirs wälzte sich geschäftig die alltägliche morgendliche Menschenmenge dahin.
    Es wurde erforderlich, den Abstand zu der verfolgten Kutsche zu verkürzen, sonst konnten sie sie leicht aus den Augen verlieren.
    Vor dem Marinski-Palast passierte es dann auch. Ein Polizist hob die Hand und stoppte den Verkehr, die schwarze Karosse fuhr in Richtung des Reiterstandbilds Nikolais des Ersten davon, und Berditschewski saß auf der Brücke fest. Er hätte sich am liebsten gleich zu Fuß an die Verfolgung gemacht, aber das hätte nur die Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt. Wie sähe das aus: Ein gesetzter, nicht mehr junger Herr rast, seinen Hut mit der Hand festhaltend, das Trottoir entlang.
    Der Kutscher richtete sich auf seinem Bock auf, dann kletterte er sogar auf den Sitz.
    »Und, ist er in die Morskaja eingebogen?«, fragte der Staatsanwalt ungeduldig.
    »Nein, er ist geradeaus weiter, zur Isaaks-Kathedrale!«
    Also wieder nicht zum Dienst, wieder nicht ins Ministerium!
    Endlich kam der Verkehr in Bewegung.
    48-36 gab dem Pferd die Peitsche, überholte geschickt einen Fiaker, schnitt einen vierspännigen Pferdebus und polterte eine Minute später schon über den Senats-Platz.
    Plötzlich zog er die Zügel an und brüllte laut »Brrr«.
    »Was ist los?«
    Der Bursche deutete mit dem Kopf zur Seite. Da kam ihnen die schwarze Karosse ganz gemütlich entgegengezuckelt. Die Vorhänge waren geöffnet, der Wagen leer.
    Er ist ausgestiegen! Aber wo?
    Rechts der Platz und das Denkmal Peters des Großen. Vor ihnen die Newa. Um bis zur Englischen Uferstraße zu fahren, den Fahrgast dort abzusetzen und wieder zurückzukommen, dazu war die Zeit zu kurz gewesen.
    Also musste Dolinin bei einem der massiven Amtsgebäude auf der linken Seite ausgestiegen sein, zwischen dem Boulevard und der Uferstraße, also entweder beim Senat oder beim Heiligen Synod. Am wahrscheinlichsten wohl beim Senat, dem obersten Rechtsorgan des Reiches. Denn was sollte ein Untersuchungsführer beim Synod?
    »Wohin jetzt, Euer Wohlgeboren?«, fragte der Kutscher.
    »Warte dort«, sagte Berditschewski und zeigte auf eine umzäunte Grünanlage.
    Wer immer es war, den Dolinin im Senat aufsuchen wollte, so unmittelbar nach der Rückkehr von seiner Dienstreise und noch vor seinen direkten Vorgesetzten, musste eine Schlüsselrolle in dieser ganzen fatalen Geschichte spielen.
    Folgendermaßen war jetzt zu verfahren! Zum Dienst habenden Beamten gehen, der die Besucherliste führt, und sagen: »Der Wirkliche Staatsrat Dolinin aus dem Innenministerium wird im Synod erwartet; er hat wichtige Papiere in seinem Amt vergessen, ich werde auf ihn warten, um sie ihm zu übergeben.« Der Beamte sagt natürlich: »Seine Exzellenz ist bereits eingetroffen, er ist bei dem und dem.« Und wenn er nicht von selber sagt, bei wem, konnte man ja nachfragen. Das war natürlich ziemlich frech, aber dafür wüsste man sofort Bescheid.
    Oder sollte er doch besser abwarten und die Beschattung fortsetzen?
    Ein diskretes Hüsteln riss den Staatsanwalt aus seinen hektischen Grübeleien.
    Matwej Benzionowitsch fuhr zusammen und drehte

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