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Pelagia und der rote Hahn

Pelagia und der rote Hahn

Titel: Pelagia und der rote Hahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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pfeife wie ein Kutscher.«
    Er steckte die Finger in den Mund und stieß einen gellenden Pfiff aus. Die Pferde machten vor Schreck einen Knicks, aus dem »Helsingfors« kam der Kopf des Portiers zum Vorschein, und von zwei Seiten antworteten die Pfiffe der Schutzleute.
    »Nein, lieber nicht«, sagte der Staatsanwalt, drückte sich in die Sitze und schaute ängstlich auf Dolinins Fenster, ob sich da nicht vielleicht der Vorhang bewegte. »Wirf lieber ein Sternchen ans Fenster.«
    Berditschewski legte sich in Schuhen und Kleidern aufs Bett und schlürfte ein wenig von dem Mosel, den er im Gostini Dvor gekauft hatte – aus der Flasche natürlich, aber nur ganz ein bisschen. Das musste ja nicht sein, dass er sich im reifen Alter noch ans Saufen gewöhnte.
    So lag er, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, nahm von Zeit zu Zeit ein Schlückchen aus der Flasche, dachte dabei mal an Mascha, mal an Pelagia, und die beiden so grundverschiedenen Frauen verschmolzen ihm auf unerklärliche Weise zu einem einzigen Wesen, für das Matwej Benzionowitsch solch zärtliche Gefühle empfand, dass ihm die Tränen in die Augen traten.
    ***
    Berditschewski erwachte von einem hellen, unirdischen Geräusch. Er begriff zuerst überhaupt nicht, was das für ein Geräusch war. Erst als das zweite Steinchen an die Fensterscheibe traf – so stark, dass das Glas zerbrach –, sprang der Staatsanwalt hurtig auf und stolperte schlaftrunken durchs Zimmer.
    Es war hell. Morgen.
    Matwej Benzionowitsch riss das Fenster auf und lehnte sich hinaus.
    Am Rinnstein stand seine Droschke.
    »Schnell, gnädiger Herr, schnell!« 48-36 ruderte mit dem Arm. »Spurten Sie, spurten Sie, sonst entwischt er!«
    Der Staatsrat ließ sich nicht lange bitten, er griff Gehrock und Hut und »spurtete« gleich durchs Fenster. Er landete ziemlich schmerzhaft auf den Füßen und war sofort hellwach.
    »Wo ist er?«, keuchte er.
    »Er ist gerade um die Ecke!« Der Kutscher ließ die Peitsche knallen. »Macht nichts, den haben wir gleich!«
    Berditschewski riss die Uhr aus der Tasche. Halb acht. Dieser Sergej Sergejewitsch begab sich ja reichlich früh zum Dienst.
    Die Müdigkeit war wie weggeblasen, und die Jagdlust ließ die Brust des Staatsanwalts schwellen.
    »Da ist er«, rief 48-36 und deutete voraus.
    Vor ihnen fuhr eine geschlossene schwarze Karosse von der Art, wie sie normalerweise Beamten im Generalsrang zur Verfügung stehen.
    Die Kutsche bog in den Sabalkanski-Prospekt ein und fuhr ein Stück die Uferstraße entlang, ließ aber die Abzweigung zum Ismailowski-Prospekt links liegen.
    »Aha, er fährt also nicht zum Dienst! Die Kanzlei des Ministeriums befindet sich in der Morskaja!«
    »Was war in der Nacht?«, fragte Berditschewski knapp.
    »Nichts, Euer Wohlgeboren. Ich habe keinen Augenblick die Augen zugemacht, ganz bestimmt!«
    »Hier, nimm.«
    Das waren nicht die vereinbarten »zwei und ein Fuffzjer«, auch nicht drei, sondern ganze vier Rubel, als Belohnung für besonderen Diensteifer. Aber der Kutscher hatte gar keine Augen für das Geld, er steckte es unbesehen in die Tasche. Du solltest als Detektiv arbeiten, Junge, dachte Matwej Benzionowitsch. Du wärst ein ausgezeichneter Agent.
    Die Karosse fuhr an der Fontanka entlang, überquerte sie und rollte dann weiter auf dem Jekaterinhof-Prospekt. Bald darauf hielt sie vor einem Haus mit großen Fenstern.
    »Was ist das?«
    »Ein Gymnasium, Euer Wohlgeboren.«
    Aber das hatte Matwej Benzionowitsch auch schon selber erkannt. Tatsächlich, ein Gymnasium, und zwar das fünfte Knabengymnasium, wenn er sich nicht täuschte. Was hatte Dolinin denn hier verloren?
    Sergej Sergejewitsch blieb in seinem Wagen sitzen. Er zog sogar die Vorhänge zu.
    Interessant.
    In der Umgebung des Gymnasiums war nichts weiter Auffälliges zu bemerken. Immer wieder öffnete und schloss sich die hohe Eingangstür und ließ Lehrer und Schüler herein. Wenn irgendein hochnäsiger Herr vorbeikam, der Direktor vielleicht oder ein Schulinspektor, lüftete der Hausdiener die Schirmmütze und machte eine tiefe Verbeugung.
    Einmal kam es Berditschewski so vor, als hätte sich der Vorhang ein wenig bewegt, aber im nächsten Moment war er schon wieder zurechtgezogen. Dann setzte sich die Karosse in Bewegung.
    Was ging hier vor? Weshalb war Dolinin zu so früher Morgenstunde hierher gekommen? Doch nicht, um sich die Kinder anzuschauen?
    Doch, begriff Matwej Benzionowitsch plötzlich. Genau deshalb – um sich die Kinder anzusehen. Genauer gesagt,

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