Pelagia und der rote Hahn
mit einem kleinen Mädchen? Ein Jahr oder so muss ich noch warten. Guck mal«, sagte Dummka plötzlich stolz, knöpfte ihr zerrissenes Kleid auf und zeigte ihre Brüste, die gerade erst anzuschwellen begannen: Zuerst die eine und dann die andere. »Siehst du? Bin ich bald eine Jungfrau?«
»Bestimmt«, seufzte Pelagia.
Beide schwiegen, jede mit ihren Gedanken beschäftigt.
»Hör mal«, sagte die Nonne. »Könntest du mir nicht diese Höhle zeigen? Wo du Manuel gefunden hast?«
Dummka war sofort einverstanden. »Klar! Komm wieder zur Mühle, wenn die Hähne zum zweiten Mal krähen, dann bringe ich dich hin.«
Ein peinlicher Traum
Bis zum ersten Hahnenschrei, der dem Gesetz der Natur zufolge den Sonnenaufgang ankündigt, war es noch weit, wohl fünf oder sechs Stunden, also musste sich Pelagia um einen Platz für die Nacht kümmern.
Sie ging zurück zum Gemeindehaus, um. den Dorfältesten zu fragen, wo sie übernachten könne.
Die Fenster waren erleuchtet, und bevor sie eintrat, warf sie einen Blick ins Innere des Hauses.
Der Dorfälteste war nicht in der Stube. An dem grob gezimmerten Holztisch saß einsam Sergej Sergejewitsch, die übrigen Teilnehmer der Expedition hatten sich auf den Bänken ausgestreckt, die ringsum an den Wänden standen.
Also war die Kate dem Untersuchungsführer und seiner Mannschaft als Unterkunft für die Nacht zugeteilt worden.
Wo hätte man sie auch sonst unterbringen sollen? Wo sollte man in Stroganowka auf die Schnelle ein Gasthaus hernehmen?
Lange stand die Schwester reglos am Fenster und betrachtete Sergej Sergejewitsch.
Ach, wie anders war sein Gesicht, wenn er glaubte, dass niemand ihn ansah! Keine Spur mehr von Spott und Unnahbarkeit.
Dolinins Stirn war von tiefen Furchen durchzogen, und um seinen Mund lag eine tragische Falte. Die Augen jedoch glänzten verdächtig hell – doch nicht von Tränen?
Plötzlich ließ Sergej Sergejewitsch seinen Kopf auf die gekreuzten Arme sinken, und seine Schultern begannen zu beben.
Er tat ihr so unsäglich Leid. Was für eine Last dieser Mensch auf seinen Schultern trug, und er beugte sich nicht, er zerbrach nicht.
Sie ertappte sich bei dem Gedanken, dass sie diesen dunkelblonden Kopf schrecklich gern an ihre Brust drücken wollte und seine arme, gequälte Stirn streicheln, ihm die Tränen von den Wimpern streifen.
Ist das wirklich nur Mitleid?, dachte sie erschrocken. Und wenn nicht?
Wenn sie ganz offen und ehrlich mit sich war, konnte sie dann wirklich sagen, dass sie nur wegen der Ermittlung, nur um Mitrofanis Interessen zu wahren, so schnell eingewilligt hatte, mit Dolinin nach Stroganowka zu fahren?
Nein, meine Liebe, dir hat der Petersburger Meisterermittler gefallen, das war ’s. Und außerdem hast du gespürt, du Sünderin, dass du ihm auch gefällst. Deshalb wolltest du noch eine Weile in seiner Nähe sein. Oder etwa nicht?
Doch, dachte Pelagia mit hängendem Kopf, genau so war es.
Sie erinnerte sich daran, wie ihr das Herz stockte, als er die unmöglichen Worte zu ihr sagte – dass es keine wie sie auf der Welt gebe und dass, wäre sie nicht eine Nonne . . .
Ach, welche Schande! Oh, wie furchtbar!
Aber das Schlimmste war, dass Sergej Sergejewitsch mit seiner schrecklichen Geschichte von der Schwefelsäure in ihrem Herzen eine gewisse Saite berührt hatte. Und es gibt nichts Gefährlicheres, als wenn im Herzen einer Frau, welches von bedingungsloser Selbstzucht wie in einem Käfig gehalten wird, plötzlich ganz zart eine gewisse schon so lange und vermeintlich für immer gerissene Saite erklingt. . .
Die Schwester bekam einen solchen Schreck, dass sie unverzüglich ein Gebet zu sprechen begann, das sie vor der Versuchung schützen sollte.
Aber der Schreck brachte sie auch zu einer Entscheidung.
Pelagia stieg die Vortreppe hinauf, durchquerte die Diele und klopfte an die Tür zur Stube. Sie wartete einen Moment, damit Sergej Sergejewitsch Zeit hätte, sich zu fassen und die Tränen aus den Augen zu wischen, dann trat sie ein.
Dolinin erhob sich und sah die Nonne erstaunt, fast ein wenig erschrocken an, als hätte sie ihn auf frischer Tat ertappt. Das überzeugte sie umso mehr von der Richtigkeit ihrer Entscheidung.
»Wissen Sie was«, erklärte Pelagia. »Warten Sie nicht auf mich. Fahren Sie los, heute noch. Wozu sollen Sie sich hier herumplagen, Sie können ja nicht einmal schlafen. Ich bleibe für ein paar Tage in Stroganowka. Wenn ich schon einmal in solch einen entlegenen Winkel gekommen bin, wofür ich
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