Pelagia und der schwarze Moench
blickte sich nach allen Seiten um.
Ob als Folge des Schlags oder aus Arger über ihr verunstaltetes Äußeres, jedenfalls war Frau Lissizyna heute nervös und unruhig. Seit sie das Hotel verlassen hatte, verspürte sie ein eigenartiges, mit Worten schwer zu beschreibendes Gefühl. Als sei sie nicht allein, als ginge jemand neben ihr, unsichtbar, der sie beobachtete oder sie ausspähte. Und dieses Beobachten hatte offenkundig einen bösen, feindseligen Zweck. Polina Andrejewna schalt sich für ihren Aberglauben und ihre weibliche Empfindlichkeit, blickte sich aber mehrmals um. Sie sah nichts. Einige Mönche gingen auf der Straße ihren Geschäften nach, jemand stand in einem Torbogen und las eine Kirchenzeitung, jemandem waren die Streichhölzer heruntergefallen, und er bückte sich, um sie aufzuheben. Ganz gewöhnliche Passanten.
Später vergaß die Lissizyna das ungute Gefühl, weil sie einen ausgezeichneten Platz zum Umkleiden entdeckt hatte, der obendrein nur fünf Minuten von der › Keuschen Jungfrau‹ entfernt lag.
An der Ecke der Uferstraße stand ein zugenagelter Pavillon mit dem Schild: »Heiliges Wasser. Automaten«. Die Fassade war zur Promenade hin ausgerichtet, der rückwärtige Teil zu einem geschlossenen Zaun.
Polina Andrejewna umrundete die Bretterbude und schlüpfte durch einen Spalt zwischen Pavillon und Zaun. Welch ein Glück – die Tür war nur mit einem ganz simplen Vorhängeschloss versperrt. Die unternehmungslustige Dame stocherte ein wenig mit der Stricknadel darin herum (vergib, o Herr, auch diese Sünde), und schon huschte sie hinein.
Entlang der Wände standen sperrige Metallkästen mit kleinen Kränen, der Platz in der Mitte war leer. Durch die Ritzen zwischen den Brettern sickerte Licht, die Stimmen der Spaziergänger von der Uferstraße drangen herein. In der Tat, der Ort war hervorragend geeignet.
Die Lissizyna zog flink ihr Kleid aus. Sie überlegte, was sie mit den langen Unterhosen machen sollte, und ließ sie an – der Leibrock war lang, man würde nichts sehen, zudem war es wärmer so. Schließlich war es nicht mehr Juli.
Die Schuhe sahen zwar aus wie Männerschuhe und hatten abgerundete Spitzen, wie es die neueste Mode verlangte, aber dennoch waren sie für einen Klosterbruder zu stutzerhaft. Aber Polina Andrejewna rieb sie mit Staub ein und beschloss, das müsste reichen. Frauen kennen sich im Schuhwerk für Mönche nicht aus, und Mönche sind Männer und haben kein Auge für solche Kleinigkeiten, weshalb sie wohl kaum darauf achten würden.
Den Beutel mit dem Strickzeug ließ sie umgehängt. Vielleicht würde sie irgendwo warten oder jemanden beobachten müssen. Viele Mönche beschäftigten sich mit Strickarbeiten, also würde das keinen Verdacht erregen, und zum Klappern der Nadeln konnte man besser denken.
Sie schob den Beutel unter das Gewand, mochte er da hängen.
Die Reisetasche verbarg sie zwischen den Automaten. Sie zupfte die kurzen Haare unter der Kappe hervor, zog den Leibrock zurecht und rieb den Puder mit der Hand ab.
Kurzum, eine bescheidene junge Dame hatte den Pavillon betreten, und nach zehn Minuten kam ein schmaler, rothaariger junger Mönch heraus, ganz unauffällig, wenn man natürlich den riesigen blauen Fleck auf der linken Gesichtshälfte außer Acht ließ.
Lauter Rätsel
Wenn die Handlungen der Ermittlerin bis zu diesem Moment noch mehr oder weniger nachvollziehbar waren, so wäre jemand, dem es eingefallen wäre, der Lissizyna heimlich zu folgen, jetzt doch einigermaßen verdutzt gewesen, denn das Verhalten der Pilgerin war nun ganz und gar nicht mehr logisch.
Im Übrigen müssen wir, um Missverständnisse zu vermeiden, den Namen der Heldin unserer Erzählung in Übereinstimmung mit ihrem neuen Äußeren bringen, so wie es bereits einmal geschehen ist. Anders lassen sich doppeldeutige Sätze nicht vermeiden, etwa: »Polina Andrejewna warf einen Blick in die Zellen der Brüder« – dabei ist Frauen bekanntlich der Zutritt zu den inneren Klosterräumen der Mönche strengstens untersagt. Also folgen wir im Weiteren nicht Polina Andrejewna oder der Witwe Lissizyna, sondern einem Klosterbruder, der sich, um es noch einmal zu sagen, an diesem Tag sehr merkwürdig verhielt.
Im Verlauf von etwa zwei bis zweieinhalb Stunden, beginnend ab Mittag, konnte man den jungen Mönch in den verschiedensten Teilen der Stadt, innerhalb des Klosterbezirks und selbst in den bereits erwähnten Zellen der Brüder antreffen. Seinem nachlässigen Gang nach zu
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