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Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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ihren Besuchen immer kürzer. Polina Andrejewna kam sich allmählich vor wie der Zug aus einer Rechenaufgabe, der mit immer kürzeren Haltezeiten von Punkt A nach Punkt B und zurück fährt.
    Als über ihr (man musste annehmen, auf dem Deck) Schritte erklangen, erschrak die Lissizyna nicht, sondern sie freute sich. Komme, was da wolle, wenn nur dieser schauderhafte Walzer aufhörte!
    Es kamen zwei: zu dem schwerfälligen Bärengang, den Polina Andrejewna bereits vorher gehört hatte, gesellten sich leichte, klappernde Schritte.
    Die Luke polterte, und die Gefangene blinzelte – so grell schien ihr das blaugraue Licht der Nacht.
    Die Kaiserin von Kanaan
    Eine gebieterische Frauenstimme sagte:
    »Nun zeig sie mir schon!«
    Polina Andrejewna lag gerade am Haltepunkt B, an der Wand, sodass ihr Gesicht frei war, und sie sah, dass eine Anlegeleiter heruntergelassen wurde.
    Mit den Absätzen voran kamen riesige Stiefel die Sprossen heruntergepoltert, darüber wehte der Saum einer schwarzen Kutte.
    Das blendende Licht einer Kerosinlampe flackerte an der Decke und an den Wänden. Die gigantische Gestalt, die beinahe den halben Kielraum einnahm, drehte sich um, und die Lissizyna erkannte ihren Entführer.
    Bruder Jonas, der Kapitän des Dampfers »Heiliger Wassilisk« !
    Der Mönch stellte die Lampe auf den Boden und postierte sich neben der am Boden liegenden Gefangenen, die Hände über dem Bauch gefaltet.
    Die Frau, deren Gesicht Polina Andrejewna nicht sehen konnte, setzte sich an der geöffneten Luke in die Hocke, feiner Stoff raschelte, und ihre Stimme, die Polina Andrejewna nun seltsam bekannt vorkam, befahl:
    »Wickle sie aus, ich sehe ja nichts.«
    Lidia Jewgenjewna Borejko, die hysterische Besucherin von Doktor Korowin!
    Bevor die Gefangene noch verstehen konnte, was vor sich ging, zerrten derbe Hände sie mit einem Ruck aus dem Sackleinen und ließen sie auf den Boden fallen.
    Polina Andrejewna setzte sich mit Mühe und Not auf und schleppte sich dann zu einem hölzernen Vorsprung, der sich am Boden um den ganzen engen Raum zog. Es war dieser Vorsprung, gegen den sie gestoßen war, als sie sich auf dem Boden hin – und hergewälzt hatte, und keine Wand! Er war unbequem zum Sitzen, aber immerhin war das würdiger, als auf dem Boden zu liegen. Auch wenn von Würde kaum die Rede sein konnte, wenn man nur in der Unterwäsche dasaß, mit gefesselten Armen und Beinen und einem Knebel im Mund.
    Frau Borejko stieg die Sprossen herab, aber nicht bis ganz unten, sondern sie blieb in einer erhöhten Position stehen. Unter dem schwarzen Samtmantel sah man ein Seidenkleid, ebenfalls schwarz, am Hals schimmerte triumphierend eine Reihe großer Perlen. Polina Andrejewna bemerkte, dass Korowins Bekannte heute noch üppiger herausgeputzt war als bei ihrer letzten Begegnung: An den Fingern funkelten Ringe, an den Handgelenken Armbänder, und selbst der Schleier war kein gewöhnlicher, sondern in der Art eines goldenen Spinnennetzes gearbeitet, kurz, Lidia Jewgenjewna sah wahrhaft majestätisch aus. Der Kapitän betrachtete sie begeistert – nein, nicht begeistert, sondern ehrfürchtig, so wie die Heiden wahrscheinlich die goldgesichtige Göttin Ischtar betrachtet hatten.
    Frau Borejko warf der nichtswürdigen Gefangenen einen verächtlichen Blick zu und sagte:
    »Sieh mich an, und sieh dich an! Du bist eine erbärmliche, schmutzige, vor Furcht zitternde Sklavin. Und ich bin die Kaiserin. Diese Insel gehört mir, es ist meine Insel! Ich herrsche über dieses Männerreich, und zwar uneingeschränkt! Jeder Mann, der hier lebt, und jeder, der hierher kommt, wird mein – wenn ich es wünsche. Ich bin Kalypso, ich bin die Nördliche Semiramis, ich bin die Kaiserin von Kanaan! Wie konntest du es wagen, du rothaarige Katze, nach meiner Krone zu trachten? Du Usurpatorin! Du bist mit der Absicht gekommen, mir meinen Thron abspenstig zu machen! Das habe ich sofort begriffen, als ich dich dort an der Anlegestelle zum ersten Mal sah. Solche wie du verirren sich sonst nicht hierher, sonst kommen nur ruhige, fromme Mäuschen, aber du feuerrote Füchsin wolltest meinen Hühnerstall haben!«
    Bei der Erwähnung der Mäuse schielte Polina Andrejewna zum Boden, doch die kleinen Partner des schrecklichen Spiels hatten sich offenbar vor dem Lärm und dem Licht in den Spalten verkrochen.
    »Die Heiligtümer von Ararat interessieren dich gar nicht!«, fuhr die Furcht erregende Lidia Jewgenjewna mit ihrer erstaunlichen Rede fort. »Mein Sklave« (dabei

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