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Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Dostojewski.«
    Auch angesichts dieser übernatürlichen Kenntnisse bekundete Lew Nikolajewitsch nur mäßige Verwunderung.
    »Ja, ich erinnere mich sehr gut an diesen bedauernswerten jungen Mann. Wissen Sie, dass ihm ein Unglück zugestoßen ist? Er hat den Verstand verloren.«
    Matwej Benzionowitsch sagte darauf gar nichts, sondern gab nur mit den Augenbrauen seiner Verblüffung Ausdruck: Nein, was Sie nicht sagen!
    »Wegen des schwarzen Mönchs.« Der Gesprächspartner senkte die Stimme. »Er ging nachts in diese Hütte, wo ein Kreuz auf die Fensterscheibe geritzt ist, und verlor den Verstand. Er hat dort irgendetwas gesehen. Und an genau derselben Stelle hat sich später ein anderer Mann, den ich ebenfalls flüchtig kannte, mit einer Pistole erschossen. O je, was habe ich da ausgeplaudert! Das ist doch ein Geheimnis«, erschrak Lew Nikolajewitsch. »Man hat es mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählt, und ich habe mein Wort gegeben. Bitte erzählen Sie es nicht weiter, einverstanden?«
    So, so, sagte sich der Ermittler, während er hartnäckig seine ‘ Nasenwurzel rieb, um das heftige Pulsieren seines Blutes zu beruhigen. So, so.
    »Ich werde es niemandem sagen«, versprach er und heuchelte ein leicht gelangweiltes Gähnen. »Aber wissen Sie, Sie sind mir ebenfalls sehr sympathisch. Zudem haben wir jetzt noch einen weiteren gemeinsamen Bekannten entdeckt. Hätten Sie nicht Lust, mit mir eine Tasse Tee oder Kaffee zu trinken? Wir könnten uns über dies und das unterhalten. Von mir aus auch über Dostojewski.«
    »Es wäre mir eine Ehre!«, freute sich Lew Nikolajewitsch. »Wissen Sie, man trifft hier so selten belesene, kultivierte Menschen. Und schließlich finden nicht alle es interessant, sich mit mir zu unterhalten. Ich bin weder klug noch gebildet und rede manchmal dummes Zeug. Wir können in den › Barmherzigen Samariter‹ gehen. Dort gibt es ganz originellen Tee, mit einem leichten Rauchgeschmack. Und gar nicht teuer.«
    Berditschewski wäre bereitwillig sofort mitgegangen, um sich mit dem neuen Bekannten zu unterhalten, doch die Breguet in seiner Tasche klingelte viermal laut und einmal leise. Es war bereits Viertel nach vier – da konnte man sehen, wie lange er gebetet hatte.
    »Teuerster Lew Nikolajewitsch, ich habe eine unaufschiebbare Verabredung, die etwa zwei oder drei Stunden in Anspruch nehmen wird. Wenn wir uns vielleicht danach treffen könnten . . .« Der stellvertretende Staatsanwalt verlieh seinen Worten eine fragende Intonation und wartete das Kopfnicken seines Gegenübers ab, bevor er weitersprach: »Ich heiße Matwej Benzionowitsch, und heute Abend, wenn wir uns treffen, werde ich Ihnen mehr von mir erzählen. Wo finde ich Sie?«
    »Bis sieben Uhr spaziere ich gewöhnlich in der Stadt umher, ich sehe mir die Leute an und denke über das nach, was mir gerade so einfällt«, erklärte der wertvolle Zeuge. »Um sieben nehme ich im Wirtshaus › Zu den fünf Broten‹ das Abendessen ein, und danach sitze ich, wenn es nicht regnet und kein starker Wind bläst – aber heute ist ein klarer Tag, wie Sie sehen – irgendwo auf einer Bank am See. Meist bleibe ich lange da sitzen, manchmal bis zehn Uhr . . .«
    »Ausgezeichnet«, unterbrach Berditschewski ihn. »Da treffen wir uns. Nennen Sie mir einen Ort. . .«
    Lew Nikolajewitsch überlegte ein wenig.
    »Treffen wir uns an der Uferstraße, bei der Rotunde, damit wir uns nicht verpassen. Kommen Sie auch gewiss?«
    »Da können Sie ganz sicher sein«, lächelte der stellvertretende Staatsanwalt.
    ***
    Matwej Benzionowitsch wischte sich die feuchte Stirn ab und griff sich ans Herz. Maschenka hatte ja so Recht, eigentlich müsste er Gymnastik treiben und auf dem Fahrrad fahren, wie alle aufgeklärten Menschen, die sich um ihre körperliche Gesundheit sorgen. Wo gibt es denn so etwas – mit achtunddreißig Jahren schon einen Schmerbauch und Atemnot und völlig unbeweglich!
    »Alexej Stepanytsch, also wirklich, genug herumgespielt, es reicht jetzt!«, rief er in Richtung der tropischen Gewächse, wo das Getrappel flinker, bloßer Füße zu vernehmen war. »Ich bin es, Berditschewski, Sie kennen mich doch gut! Bischof Mitrofani schickt mich zu Ihnen!«
    Dieses Spiel – Berditschewski wusste nicht, ob sie Verstecken oder Fangen spielten, wahrscheinlich beides zusammen – , zog sich nun schon sehr lange hin, und der stellvertretende Staatsanwalt war bereits völlig erschöpft.
    Donat Sawwitsch Korowin war am Eingang zum Palmenhaus stehen

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