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Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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fand sie das lustig.
    »Kollegienrat?« Die Unbekannte fing an zu lachen und zeigte ihre weißen, ebenmäßigen Zähne. »Ich könnte jetzt gut einen Ratgeber gebrauchen. Oder einen Berater? Ach, einerlei. Geben Sie mir einen Rat, verehrter Kollegienberater, was fängt man mit einem verpfuschten Leben an?«
    »Um wessen Leben handelt es sich?«, fragte Matwej Benzionowitsch heiser.
    »Um meines. Vielleicht aber auch um Ihres. Sagen Sie, Herr Berater, könnten Sie Ihr ganzes Leben auslöschen, vernichten – um eines einzigen Augenblicks willen? Nicht einmal um eines Augenblicks, sondern um der Hoffnung auf einen Augenblick willen, die sich möglicherweise nicht erfüllt?«
    Berditschewski stammelte:
    »Ich verstehe Sie nicht. . . Sie sagen eigenartige Dinge.«
    Doch er hatte sehr wohl verstanden, er hatte alles bestens verstanden. Das, was ihm auf gar keinen Fall passieren konnte, weil sein ganzes Leben so gänzlich anders verlief, war auf einmal nah, sehr nah. Ein Augenblick? Eine Hoffnung? Und was war mit Mascha?
    »Glauben Sie an das Schicksal?« Die Reiterin lächelte jetzt nicht mehr, ihre reine Stirn hatte sich umwölkt, die Reitgerte schlug fordernd auf die Kruppe des Pferdes, und der Rappe trat nervös von einem Bein auf das andere. »Daran, dass alles vorherbestimmt ist und dass es keine zufälligen Begegnungen gibt?«
    »Ich weiß nicht. . .«
    Dafür wusste er, dass er zugrunde ging, und er war bereit dazu, er sehnte es sogar herbei. Der orangefarbene Streifen des Sonnenuntergangs breitete sich zu beiden Seiten des schwarzen Pferdes aus, als seien diesem plötzlich Feuerflügel gewachsen.
    »Ich glaube daran. Ich habe das Tuch fallen lassen, Sie haben es aufgehoben. Vielleicht ist es auch gar kein Tuch?«
    Der stellvertretende Staatsanwalt blickte zerstreut auf das Stück Stoff, das er noch immer fest zwischen den Fingern hielt, und er dachte: Ich stehe hier wie ein Bettler mit ausgestreckter Hand.
    Die Stimme der Reiterin nahm einen drohenden Klang an:
    »Wollen Sie, dass ich jetzt das Pferd wende und davongaloppiere? Dass Sie mich nie Wiedersehen? Dann werden Sie nie erfahren, wer wen betrogen hat – Sie das Schicksal oder das Schicksal Sie.«
    Sie riss am Zaumzeug, wandte sich um und hob die Reitgerte.
    »Nein!«, rief Matwej Benzionowitsch, der Mascha, seine zwölf Kinder und das kommende, dreizehnte, mit einem Schlag vergessen hatte – so unerträglich erschien ihm der Gedanke, die merkwürdige Amazone könnte davonpreschen und ein für alle Mal in der immer dichter werdenden Dunkelheit verschwinden.
    »Dann halten Sie sich am Steigbügel fest, ganz fest, sonst fallen Sie hin!«, befahl sie.
    Wie verzaubert klammerte Berditschewski sich an den silbernen Bügel. Die Reiterin stieß einen gutturalen Schrei aus und schlug mit der Reitgerte auf das Pferd ein, woraufhin der Rappe im scharfen Trab lospreschte.
    Matwej Benzionowitsch rannte aus Leibeskräften, ohne zu begreifen, was mit ihm vorging. Nach etwa fünfzig, oder vielleicht auch hundert Schritten strauchelte er, mit dem Gesicht nach unten stürzte er zu Boden und überschlug sich noch mehrmals.
    Aus der Dunkelheit erklang sich schnell entfernendes Gelächter.
    »Was ist das nur für eine Insel!«, sagte der Ermittler immer wieder wie von Sinnen, während er auf dem Weg saß und seinen schmerzenden Ellbogen rieb. Die Fingerknöchel waren blutig und zerschrammt, aber Matwej Benzionowitsch hatte das Batisttüchlein nicht fallen gelassen.
    ***
    Nach diesem unglaublichen Vorkommnis, das so völlig anders war als alles, was Matwej Benzionowitsch bislang erlebt hatte, war der stellvertretende Staatsanwalt offenkundig nicht ganz bei sich. Nur so ließ sich der Umstand erklären, dass er jedes Zeitgefühl verloren hatte und sich nicht erinnern konnte, wie er zurück ins Hotel gelangt war. Als der Schock schließlich nachließ und er zu sich kam, entdeckte er, dass er in seinem Zimmer auf dem Bett saß und stumpf zum Fenster hinausschaute, auf eine am Himmel hängende Apfelsinenscheibe – den zunehmenden Mond.
    Mit einer mechanischen Geste zog er seine Uhr aus der Westentasche. Es war eine Minute nach zehn, woraus Matwej Benzionowitsch den Schluss zog, dass ihn wahrscheinlich das Klingeln seiner Breguet in die Realität zurückgeholt hatte, obgleich er sich nicht daran erinnern konnte, etwas gehört zu haben.
    Lew Nikolajewitsch! Er hatte bis spätestens um zehn Uhr auf der Bank auf ihn warten wollen!
    Der Beamte sprang auf und lief aus den Zimmer. Er

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