Pelbar 1 Die Zitadelle von Nordwall
Gefahr wärst. Und wenn du gestorben wärst, dann weiß ich nicht, was ich getan hätte.«
»Du könntest den Arm um mich legen, wenn du so etwas sagst.«
»Wir dürfen keine Liebe daraus werden lassen, Ur-sa. Ich könnte nie in dieser Stadt leben, ganz einge-kerkert, abhängig von Frauen, nicht einmal von dir, und irgendeine Händlerarbeit verrichten.«
»Ich könnte mit dir kommen.«
»Dieses Leben ist hart und gefährlich. Es ist kein Platz für eine Frau. Unsere Frauen altern schnell und werden oft verbittert. Oder sie bleiben zurück, und wir sehen sie nur, wenn wir von der Jagd nach Hause kommen. Es würde dir nicht gefallen.«
»Wir werden sehen.«
»Wie sollen wir es sehen? Ich muß fort. Mokil hat befohlen, daß ich gehen soll, wenn ich gesund bin.«
»Du liebst mich nicht.«
Winnt zögerte. Es gab viele Risiken, die er jetzt lieber eingegangen wäre.
»Ich werde in der Friedenswoche im Frühling hierherkommen und dich besuchen, wenn ich mit Mokil gesprochen habe«, sagte er. »Ich werde ihn fragen.«
»Du hast es nicht gesagt.«
»Es ist ein großes Wort. Wenn ein Sentani es sagt, gilt es für immer.«
»Dann tust du es eben nicht. Wenn du jetzt gehst, sag Ibar bitte Bescheid, daß du fort bist.«
»O Ursa. Du siehst die Schwierigkeiten nicht. Wir haben sogar verschiedene Götter. Wie würden die Sentani dich aufnehmen? Wie gut könntest du sie verstehen?«
Sie antwortete nicht.
»Alle Sternenbanden haben Regeln, strenge Regeln.
Ich kann nicht einfach heiraten, wen ich will.«
Sie antwortete noch immer nicht.
»Nicht, daß ich dich nicht liebte; es geht nur darum, daß man viel zu bedenken hat, ehe man so eine Verpflichtung eingeht.«
»Was soll das heißen: ›Nicht, daß ich dich nicht liebte‹? Bedeutet das: ›Ich liebe dich‹?«
Winnt antwortete nicht. Dann: »Ehe ich die Worte offen ausspreche, möchte ich sicher sein, daß ich nicht eine Katastrophe auslöse. Aber eines will ich dir versprechen, und wenn es möglich ist, werde ich die Worte sprechen, und zwar zu dir und zu niemandem sonst. Aber darauf mußt du warten, wenn du mich willst.«
»Dann werde ich warten. Ich glaube schon. Ich weiß noch nicht einmal, wie du küßt.«
Das holte Winnt nach, und nach einem langen Augenblick sagte Ursa: »Gut.«
»Was?«
»Du küßt nicht sehr gut.«
»Was? Wie kannst du einen Mann so behandeln?
Was verstehe ich vom Küssen? Ich bin Jäger.«
»Ja. Du hast keine Übung, aber ich werde dafür sorgen, daß du sie bekommst.«
»Oh«, sagte er, setzte sich neben das Bett und starrte die Wand an.
Erst im Langmonat, wie die Pelbar den zweiten Monat des Jahres nennen, in dem der Winter seinen Griff noch nicht lockert und scheinbar ewig dauern will, verließ Winnt Nordwall. Ursa war wieder gesund und sah ihm von der Mauer aus nach, während Jestak Winnt auf seiner langen Reise zurück zur Sternenbande der Sentani bis zum Skydeer-Fluß begleitete.
In dieser Nacht lagerten sie auf der Hochfläche über dem Zusammenfluß. Winnt war gesund und stark und beherrschte inzwischen die Schneegleiter.
Sie waren gut vorangekommen. Sie brieten einen weißen Hasen, den er mit einem Pfeil getötet hatte, und aßen Trockenobst von den Pelbar, das zäh war, aber einen vollen, süßen Geschmack hatte.
»Wie hat euer Rat auf die Neuigkeiten über Ursa und mich reagiert?«
»Ganz normal. Manche wollen überhaupt keine Veränderung. Andere akzeptieren sie mit Vorsicht.
Aber jeder in der ganzen Stadt hat dich gesehen, die meisten haben mit dir gesprochen, und sie betrachten dich nicht als Barbaren. Du hast die Reaktionen der Frauen gesehen. Aber sie machen sich Sorgen wegen Ursa und wegen des harten Lebens, das sie erwartet.
Und doch nahm Avens Priesterin es als Zeichen, daß die lange Zeit der Feindseligkeit allmählich auf-bricht.«
»Und du?«
»Ich stimme ihr zu. Irgend etwas ist am Aufbrechen. Überall im Osten herrscht Unruhe. Große Ver-
änderungen bahnen sich an. Ursa ist sehr religiös, und obwohl die Namen und einige Bräuche sich unterscheiden, will es mir nicht aus dem Kopf, daß irgendwann weit in der Vergangenheit die Religion der Pelbar und die der Sentani ein und dieselbe Wurzel hatten. Weißt du, welche Religion, die ich kenne, der unseren am nächsten kommt, Winnt? Die der Propheten vom Salzstrom, mehr als tausend Ayas östlich von hier auf dem Landweg und dann noch einmal tausend auf dem Meer. Nicht nur viele Ideen sind gleich. Das gilt auch für den Wortlaut. Mir ist klar, daß
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