Pelbar 2 Die Enden des Kreises
zu alt, um sie selbst zu tun.«
»Die Roti?«
»Sie. Die Roti. Sie opfern alle Blauäugigen, weil sie glauben, daß sie vom Himmel kommen.« Die Greisengestalt lachte, dann fragte sie: »Und wer bist du?
Wir haben noch nie jemanden gesehen, der sein Haar wie einen halb in der Erde steckenden, runden Felsen geschnitten hat.«
»Ich bin Stel, ein Pelbar aus Pelbarigan am Heart-Fluß.«
»Nie davon gehört. Na gut. Du brauchst es uns nicht zu erzählen. Noch nicht jedenfalls. Komm jetzt mit! Es gibt Bohnen zu hacken.«
»Wer bist du?«
»Ich? Ach so. Ich bin McCarty, und das sind Gomez und Johnson. Wir sind die Kinder von Ozar. Oder jedenfalls einige davon. Komm jetzt ...«
»Ozar?«
»Ja, Ozar. Unsere Mutter. Wir kamen tatsächlich vom Himmel herunter, mit dem großen Feuer, vor Hunderten von Jahren. Seitdem haben wir hier gelebt – bis heute. Bald sind wir alle nicht mehr. Besonders, wenn niemand die Bohnen hackt. Komm jetzt!«
McCarty drehte sich um und ging ihm voran den Pfad hinunter. Sie war ein Wrack von Alter und Austrocknung, schien aber noch recht kräftig zu sein.
Ihr Gewand hatte sie sich achtlos über die Schulter geworfen. Die anderen folgten, ohne es zu bemerken und tasteten mit ihren Stäben die Seitensteine ab. Stel kam hinterher, jetzt fast zum Umfallen müde und froh, daß sie sich wenigstens so langsam bewegten.
Vor ihnen öffnete sich die schmale Ebene zu einem weiten Plateau auf dem Abhang über dem herabstürzenden Bach. Stel sah ein ordentliches Feld mit vielen Reihen von Bohnen. Andere Gestalten, alle kahl, in den gleichen zerlumpten, unscheinbaren Gewändern knieten im Feld und jäteten unendlich langsam Unkraut. Manche waren blind und tasteten sich die Reihen entlang. Stel sah, daß einige von ihnen Bohnen-pflanzen herausgezogen hatten.
McCarty blieb stehen: »Da. Siehst du? Siehst du, warum du für uns hacken mußt? Wir können es nicht mehr. Es war all die Hunderte von Jahreszeiten lang gut, bis Kannaday uns einredete, wir könnten das Ödland gefahrlos überqueren, als unser Bach austrocknete. Und jetzt sieh uns an!«
»Wo sind die jungen Leute? Wo sind die Kinder?«
»Es gibt keine. Keine Kinder. Wir haben kein Kind mehr gesehen, seit ... nun, seit vielen Jahreszeiten. Du bist eigentlich der erste junge Mann, an den ich mich seit langem erinnere.« Hier lachte sie hoch und zittrig und tat, als wolle sie ihn umarmen. Stel trat zurück.
McCartys Gesicht erschlaffte. »Ach. Früher einmal waren sie nur zu bereit, mich in die Arme zu schlie-
ßen. Aber nichts ist dabei herausgekommen. Nichts.
Nun, komm jetzt! Wir werden dich zu Fitzhugh bringen. Sie hat noch Haare, wie du. Aber sie sind alle weiß.«
Stel sah vor sich ein großes Gebäude aus Stein und schwerem Holz, es hing durch und hatte ein breites Dach, das fast bis zum Boden reichte und mit saube-ren Ziegeln gedeckt war. Dahinter, am Hang, stand ein zweites Gebäude von sehr sonderbarer Form, wie ein krummes T, bei dem ein Arm nach hinten und nach unten gebogen war.
McCarty sah, wie er hinschaute. »Da darfst du nicht hingehen. Das ist Ozar, unsere Mutter, oder vielmehr ihr Haus. Sie ist nur für uns da, die Kinder ihrer Kinder, die alle im großen Feuer hierherge-bracht wurden.«
»Wir sind alle gleich. Jestak sagt das, und er war an der Ostküste und auf den Inseln dahinter. Schau!
Können wir einander nicht verstehen?«
»Es hört sich wirklich an, als hättest du etwas im Mund. Was für eine Ostküste?«
»Tausende von Ayas im Osten.«
»Ayas? Was ist ein Aya?«
»Ein Ayas? Weißt du das nicht? Das sind zweitau-send Armlängen. Alle Völker am Heart-Fluß wissen das.«
»Siehst du? Ihr seid doch anders. Wir sagen Kiloms. Ein Kilom ist ... – nun, wir reisen nie.«
»Das ist nicht so wichtig. Schau doch, wie leicht es uns fällt, einander zu verstehen. Du könntest mit den Shumai sprechen, mit den Sentani, den Emeri, den ...«
»Du kennst die Emeri?«
»Nein. Ich habe von ihnen gehört. Jestak und die Shumai haben sie vor mehr als zwei Sommern besiegt. Aber jetzt treiben sie Handel mit den Shumai.«
»Sie sind eine grausame Meute. Sie leben da oben im Norden des leeren Landes. Einmal sind sie bis hierher gekommen. Aber das war, ehe ich geboren wurde.«
»Wer sind die Roti? Warum reden sie nicht so wie alle anderen?«
»Wer weiß? Es hat sie immer gegeben. Wir haben sie nie verstanden. Unsere helläugigen Kinder haben wir immer vor ihnen versteckt.« Wieder lachte sie gackernd. »Aber jetzt wollen sie
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