Pelbar 2 Die Enden des Kreises
wurde langsamer, um seine Peitsche schwingen zu können, und Elseth, die wieder aufgesprungen war, schlug ihn mit voller Kraft in den Rücken, so daß er zu Boden stürzte. Stel ließ schnell einen Pfeil direkt zwischen seine ausgestreckten Hände sausen. Shay blickte in plötzlicher Furcht auf.
»Den nächsten bekommt dein Bruder. Mitten durch die Brust«, sagte Stel und legte einen neuen Pfeil auf.
Shay faßte einen schnellen Entschluß, sprang auf und schrie: »Hüh, Than. Hüh. Er hat eine Waffe.«
Than schnappte sich Elseth mit einem Arm und ga-loppierte davon. Shay drehte sich um und trat Stel gegenüber.
»Ich habe das satt«, sagte Stel. »Ein ganzes Land voll gewalttätiger, unvernünftiger Menschen. Du wirst jetzt zu deinem Bruder hinübergehen, während ich meine Sachen zusammensuche, und wenn einer von euch mir irgendwie zu nahe kommt, werde ich ihm ein Loch in den Wanst schießen, und wenn es sein muß, ihn töten.«
»Wenn du meine Schwester beleidigst, werde ich ...«
»Das habe ich nicht getan. Und du wirst auch nichts tun. Du und dein Bruder, ihr seid wie die Kinder. Schon wieder Ziegenhirten. Schon wieder solche ›Wenn-du-einen-Stein-fallenläßt-stirbst-du-Leute‹.
Ich zähle jetzt bis zehn, und wenn du bis dahin nicht am Feuer vorbei bist, wird dich dieser Pfeil jagen.
Eins, zwei, drei, vier ...« Weiter zählte Stel nicht. Shay war so schnell davongespurtet, daß es sichtlich nicht notwendig war. Schade. Wieder hatte eine Begegnung einen schlechten Ausgang genommen. Nach dem Vergnügen, mit Elseth zu plaudern, wieder ein paar hirnrissige Männer, die ihn bedrohten. Stel packte bedächtig seine Sachen und nahm auch einen von den neuen Meißeln mit. Er sah, daß Elseth und ihre Brüder hitzig miteinander diskutierten. Stel spannte seinen Langbogen, und als sie zu ihm hinsa-hen, schoß er einen Pfeil gerade nach oben, er flitzte hoch und immer höher, schien einen Augenblick stillzustehen, drehte sich dann und stürzte herunter, auf den Fluß zu. Stel kam sich albern vor, wie ein prahlendes Kind. Aber er sagte sich, das war eine ungefährliche Methode, sicherzustellen, daß sie ihn in Ruhe ließen.
Er ging langsam auf den Pfeil zu, hob ihn auf, säuberte ihn, schliff die Spitze bedächtig an einem Felsen und ging dann zu Elseths Baumstamm hinunter. Er war es müde, dauernd von irgendwelchen Hitzköpfen schikaniert, mißverstanden und angegriffen zu werden. Am Stamm blieb er stehen, setzte sich und spielte auf seiner Flöte, drei ganze Lieder. Die drei beobachteten ihn von der anderen Seite des flachen Tales aus. Dann stakte er den Stamm über den Fluß und vertäute ihn. In den Ufersand schrieb er mit einem Stock: Leb wohl, Elseth. Du bist nicht verrückt, aber deine Brüder sind es. Es tut mir leid, daß ich die Meißel nicht fertiggemacht habe. Mögest du die ganze Klippenwand mit Gestalten füllen, bis du glücklich und zufrieden bist. Und da ich herausgefunden habe, daß es ein leuchtendes Meer gibt, das du den Pazifischen Ozean nennst, gehe ich vielleicht dorthin. Im Osten gibt es ebenfalls einen Ozean – tausend Ayas östlich des Heart. Jestak, ein Pelbar aus Nordwall, ist dortgewesen.
Mühsam erkletterte Stel die Klippe. Als er oben ankam, sah er die drei auf der anderen Seite stehen. Elseth winkte ihm zu, aber Shay schlug ihr den Arm herunter. Stel winkte zurück und machte sich auf den Weg nach Westen. Die Trockenheit schien wie eine Infektion in ihm zu toben. Er würde sich nach Süden wenden und wieder den Fluß aufsuchen. Nach Elseth drückte ihn das Gewicht seiner Einsamkeit wieder schwer.
Fast zwei Tage später sah Stel fünf Reiter näher-kommen, die ein sechstes Pferd führten. Er spannte beide Bogen, stellte den kurzen beiseite und legte einen langen Pfeil auf. Die Reiter hielten ungefähr zweihundert Armlängen entfernt an, dann trabte der eine auf Stel zu. Als er näher kam, sah Stel, daß es Shay war.
»Bleib stehen, wo du bist!«
Shay hob beide Hände. »Ich bin unbewaffnet. Wir wollen mit dir reden.«
»Steig von deinem Pferd und geh zu Fuß!« Shay gehorchte und kam langsam heran. »Das ist weit genug. Ich kann dich hören.«
»Elseth sagt, du kannst Papier machen. Sie sagt, du hast auch welches.«
Stel antwortete nicht.
»Wir müssen das lernen. Wir werden dir nichts tun. Aber du mußt verstehen, wir müssen unsere Schwester schützen.«
»Wo ist Elseth?«
»Sie ist wieder bei ihrer Arbeit.«
»Eine sonderbare Art, sie zu schützen, wenn ihr sie alleine
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