Pelbar 3 Die Kuppel im Walde
sie sahen, daß er in dieser Stimmung war.
Mehr als einmal hatte es sie gerettet, wenn er etwas schnell erkannte – so war es bei den besten Axt-schwingern – und sie wußten, daß sie Tor schätzen mußten, obwohl sein seltsames Verhalten sie manchmal irritierte.
Spät am Nachmittag hörte Tor aus der Ferne einen schwachen, zittrigen Schrei. Er stand auf und erwiderte ihn, füllte die umliegenden Wälder mit einem halbmenschlichen Geheul. Endlich kamen sie also. Er hatte jedenfalls Fleisch für sie, sieben Murmeltiere, alle mit der Axt getötet. Sie war keineswegs eine nutzlose Waffe, wenn man verstand, sie zu werfen.
Bald erschien eine Reihe von Gestalten in sehr langsamem Trab. Es war Legon mit seiner Frau und drei anderen Familienangehörigen – zwei jungen Männern und einer älteren Frau – ganz am Ende kam Tristal. Der Junge sah blaß aus. Unter seiner Schwä-
che konnte Tor jedoch eine ruhige, für die Shumai typische Entschlossenheit erkennen. Vielleicht war bei ihm doch nicht alles so hoffnungslos.
Tristal schämte sich nicht, er sank neben dem Feuer nieder, ohne seine Fellrolle auszubreiten, während Tor sie alle begrüßte. »Mach dir keine Gedanken wegen Tris«, sagte Legon. »Er war krank. Ist es immer noch. Ein Fieber. Murmeltier, wie? Na, davon könnte ich etwas vertragen. Frey, kannst du uns etwas servieren? Ama, würdest du Tristal etwas geben?«
»Ich kümmere mich um ihn«, sagte Tor. Er setzte sich neben den Jungen. Ja, das Fieber war noch in ihm. Tor gab ihm eine ausgepichte Korbtasse warme Brühe mit fetten Fleischstücken und wilden Zwiebeln darin. Tristal hatte Mühe, sie zu schlucken, schien aber trotzdem Appetit darauf zu haben. Er klammerte sich an Tors Bein, und der Axtschwinger sah, daß der Junge das selbst gar nicht bemerkte. Tor schnitt Murmeltierfleisch in mundgerechte Brocken und fütterte den Jungen damit, während sich die anderen für die Nacht einrichteten. Dann steckte er den Jungen in seine Fellrolle, schürte das Feuer und breitete seine eigene Rolle neben der von Tristal aus. Ama war enttäuscht.
Als das Feuer niederbrannte, bewegte sich Tristal unruhig. »Wo ist Raran?« fragte Tor.
»Sie kommt schon noch. Sie war auf der Jagd, als wir aufbrachen. Sie wird uns schon finden.« Nach kurzer Zeit, wie Tristal gesagt hatte, glitt die Hündin in den Feuerschein und setzte sich neben den Jungen, der die Hand nach ihr ausstreckte. Dann berührte Raran mit ihrer Nase erst Tor, dann Legon und Frey, schließlich kehrte sie zu Tristal zurück und ließ sich mit einem Seufzer schwer auf der anderen Seite von Tor niederplumpsen. Tristal sank bald in Schlaf. Tor lag lange wach und dachte nach. Dreimal flogen Gän-seschwärme hoch über ihnen in die Nacht hinein, ihre gellenden Schreie tönten aus der Dunkelheit herab.
»Tor«, sagte Legon.
»Ja.«
»Er ist ein braver Junge, Tor. Du wirst stolz auf ihn sein. Er lernt gut. Ich habe nie etwas dergleichen gesehen. Man sagt ihm einmal etwas, und er weiß es nicht nur, sondern denkt weiter als man selbst. Er ist sehr ruhig, spricht selten, aber du wirst sehen, er ist da, wenn du ihn brauchst.«
»Gut. Das freut mich. Danke, Leg.«
»Laß ihn hier eine Weile ausruhen. Er ist sehr krank gewesen. Aber er wird wieder gesund. Wir ziehen am Morgen weiter.«
»Ja. Schon gut. Ich habe es nicht eilig. Ich werde ihn nach Pelbarigan bringen.«
»Dorthin?«
»Ja. Den Sommer über. Eine Pelbarfamilie hat sich bereiterklärt, ihn aufzunehmen. Sie waren hier, um den Stab zu sehen. Ein alter Shumai namens Hagen lebt bei ihnen. Alte Freunde.«
»Stel und Ahroe.«
»Du kennst sie?«
»Nur ihre Geschichte. Sie waren im Westen jenseits der großen Berge, weit über das Shumaigebiet hinaus.«
»Sie?«
»Ja. Sie sind Pelbar, aber in beiden ist ein stählerner Kern. Ich freue mich für Tristal. Das wird ihm gut-tun.«
Weiter wurde nichts gesprochen, und bald war Legon eingeschlafen. Da war es wieder in Tors Gedanken. Etwas stand drohend bevor. Nun, er war bereit dafür, was es auch war.
Am Morgen brachen Legon und sein Trupp auf, liefen nach Norden, um die leere Stelle herum, ungeduldig darauf, nach Westen zu kommen. Tor und sein Neffe winkten, Raran wußte nicht, was sie tun sollte. Bald kehrte sie zu Tristal zurück und setzte sich neben ihn, ihr Hinterteil gegen sein Bein geschmiegt.
Durch die Ruhe erholte sich Tristal schnell. Tor baute eine Abschirmung aus Gestrüpp unter der Felsnase, um die Wärme zu halten, und beobachtete den
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