Pelbar 3 Die Kuppel im Walde
Jungen lässig gähnend. Er wollte keine Ungeduld erkennen lassen. Er wußte, daß Tristal ein schlechtes Gewissen hatte, weil er seinen Onkel vom Lauf nach Westen abhielt. In der ersten Nacht klarte es auf, und die beiden spielten gemächlich ein Sternbenennungs-spiel, aber mit nur zwei Spielern war es schwer. Tor forderte den Jungen auf, die Sterne zu benennen, die er kannte. Sie kletterten auf den Kamm über der Felsnase, und Tristal zeigte hin und benannte den halben Himmel.
»Genug«, sagte Tor. »Ich glaube, du kennst sie al-le.«
»Die schwachen nicht.«
In der nächsten Nacht fand Tristal keine Ruhe. Er fragte seinen Onkel, ob er einen Spaziergang machen könne. Tor zuckte die Achseln und freute sich, daß der Junge sich rasch erholte.
Celeste gab in ihrem Zimmer den Kode für Baustruktur ein, dann folgte sie der Sequenz, bis sie die Bildschirmdetails der Kuppel bekam, die keine allgemein zugängliche Information waren. Was war denn das? – Noch eine Tür? Sie müßte sich in die Er-de öffnen – aber jetzt vielleicht nicht mehr, bei soviel Erosion. Sie verfolgte den Weg dorthin auf dem Schirm, stellte Berechnungen an und schaltete dann die Alarmanlagen aus, jede nur für ein paar Zeitein-heiten, abgestimmt auf die Augenblicke, in denen sie die einzelnen Punkte zu passieren plante. Dann blickte sie sich einmal in ihrem Zimmer um und ging.
Als sie die Tür erreichte, zerstörte sie mit ihrem Ultraschallstock die Plombe. Die Tür schwang nach außen auf. Anders als die letzte Tür befand sich diese Pforte tief unten in der Kuppel, ziemlich nahe an der undeutlich sichtbaren Erde draußen. Sie würde kein Seil brauchen. Celeste schaute hinunter, quetschte sich durch die Tür und schob sie zu. Dann ließ sie sich zu Boden fallen und kam mit einem schwachen Aufschlag auf. Es war Schlamm. So etwas hatte sie noch nie gespürt – kalter, nasser Schmutz. Sie war al-so der allererste Mensch, der seit der Explosion Kuppel und Ebenen verließ. Eine Welle von Stolz bran-dete gegen ihre Angst an.
Vor ihr war ein Berghang, und sie mühte sich rutschend und strampelnd ab, ihn zu ersteigen. Bald war sie schmutzig und bedauerte es. Nein. Zurückkehren würde sie nicht, nicht, solange Butto über seine Un-geheuer herrschte. Irgendwie würde sie hier draußen leben – wenigstens eine Zeitlang –, wo es keine Ge-räusche von weggeworfenen Fleischklumpen gab.
Und hier gab es auch keinen Dexter, stümperhaft und ironisch, kalt persönlich. Zurück konnte sie später immer noch.
Als sie sich der Hügelkuppe näherte, ertastete ihre Hand etwas. Sie starrte es an. Eine Pflanze. Sie kletterte weiter, kam über den Rand des Hügels und sah viele Pflanzen vor sich, schwach erkennbar und aus irgendeinem Grunde naß. Sie fuhr mit der Hand dar-
über, wusch sich daran. So war es also draußen auf der Erde. Was lag da vor ihr? Es sah aus wie ein Wald auf den Audivisi-Bändern. Das alles gab es also draußen? Celeste lachte verbittert. Hier, gleich außerhalb ihrer Sichtweite, außerhalb der Reichweite ihrer Sensorausrüstung wuchs eine ganze Welt. Und die Strahlung? Wenn sie sie nun tötete? Was wollte sie überhaupt anfangen? Wenn so viele Pflanzen lebten, wenn die seltsamen Vögel flogen, konnte da nicht auch sie einen Platz finden? Sie stolperte weiter, tastete sich voran, stürzte gelegentlich über Steine, schürfte sich einmal das Knie auf. Hoch über sich hörte sie die Vögel rufen. Sie waren also da. Sie war in einer Welt mit wirklichen Vögeln!
Nach einer Weile merkte sie, daß sie sich verlaufen hatte. Sie hatte keine Ahnung mehr, in welcher Richtung die Kuppel lag. Sie kniete nieder. Was sollte sie tun? Nun, die Sonne würde kommen, dann würde sie sich schon zurechtfinden. Was war das? Ein Laut vor ihr? Sie stellte ihren Ultraschallstock auf schwache Leistung ein und jagte einen kurzen Stoß los. Sie hörte einen sonderbaren Schrei, schrill und schmerzlich, dann eine Stimme.
»Was ist, Raran? Alles in Ordnung? Hier, leg dich hin. Laß dich ansehen!« Celeste hörte ein leises Winseln, dann ein Knurren. Vielleicht von einem Tier, dachte sie. Ein Tier? Aber die Stimme war menschlich, sie konnte sie verstehen, obwohl die Sprache breit und anders war. Das Knurren hielt an. Celeste verspürte eine Welle der Angst. Sie wandte sich um und wollte davonlaufen, fing an, sich durch die Bü-
sche zu schlagen. Plötzlich hörte sie ein Rauschen, etwas traf sie hart im Rücken. Sie fiel zu Boden, alle viere von sich gestreckt.
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