Pelbar 3 Die Kuppel im Walde
lächelte, aber Stantus Blick verlor seine tiefe Traurigkeit nicht. Der junge Shumai ließ Raran bei Stantu und ging zum Eingang von Jestaks Haus. Er klopfte an die schwere Tür.
Sie wurde von einem Mädchen geöffnet, das etwas jünger war als er – Jestaks Tochter Fahna. Sie erblühte gerade zu einer jungen Frau, recht früh für ihr Alter.
Die dunkle Schönheit ihrer Mutter war in reichem Maße auf sie übergegangen, so daß sich schon jetzt, obwohl sie noch so jung war, die Männer nach ihr umdrehten, wenn sie vorbeiging. Daran war sie ge-wöhnt, und sie genoß es. Sie war Jestaks Tochter. Es war angemessen, daß man ihr huldigte. Und Tia, ihre Mutter, war auch schön und gleichzeitig einflußreich, als besondere Freundin der früheren Protektorin, der berühmten Sima Pall, die Jestak geholfen hatte, Nordwall umzugestalten.
Fahna sah den Shumaijungen, so blond wie eine reife Weizengarbe. Sie war auf Erschrecken, Verwirrung und Vergnügen in seinen Augen vorbereitet, aber er schien durch sie hindurchzuschauen.
»Ich bin Tristal. Ich bin gekommen, um mit Jestak zu sprechen«, sagte er.
»Du? Du mußt wissen, daß er zu beschäftigt ist, um sich mit Knaben zu unterhalten. Komm später wieder – vielleicht morgen.« Sie wollte die Tür schließen, aber sein Fuß hielt sie fest. Sie runzelte die Stirn.
»Was willst du? Mach, daß du rauskommst!«
»Ich habe dir gesagt, was ich will«, entgegnete er schlicht. »Ich bin Tristal. Ich muß Jestak sprechen.«
Sie trat nach seinem Fuß, aber er zog ihn weg und hielt die Tür mit seiner Schulter fest. Eine Frau kam und sagte: »Was ist los, Distel? Oh, wer bist du?«
»Tristal. Ich muß Jestak sprechen.«
»Komm herein!« Tia lächelte und öffnete, sehr zu Fahnas Bestürzung, die Tür.
Tristal trat ein, und als die Tür geschlossen war und Tia wartete, sagte er: »Ich habe eine Botschaft.«
Tia ging zu einer Tür im Inneren und öffnete sie halb. Aus einem Hinterzimmer drang schräg das Licht. Tristal sah Köpfe hinter Tia. »Ein junger Mann mit einer Botschaft für Jestak«, sagte sie.
Man führte ihn in den hinteren Raum, die Tür schloß sich, Fahna blieb draußen. Ihre Augen wurden schmal. Es war unfair. Ständig kamen Fremde in ihr eigenes Haus, und sie hielt man von ihnen fern. Und dieser verdammte Junge mit seinen X-Beinen und seiner hohen Stimme – er hatte sie nicht einmal bemerkt. Sie ging nach draußen. Stantu lächelte sie an, die Hand auf Rarans Kopf. Sie drehte sich um und ging zurück ins Haus.
Im Zimmer schnallte Tristal seinen Köcher ab und reichte Jestak die festgeschnürte Rolle von seiner Mutter. Zwei der im Raum Befindlichen waren Shumai, beides Männer. Auch ein Sentani-Krieger und eine Frau saßen am Tisch, und Tag, Stantus Pelbar-gattin, beugte sich darüber und studierte weiter die Landkarte, die auf seiner Platte ausgebreitet war. Sie zeigte eine Reihe von Straßen und einen Grenzkreis, aber Tristal warf nur einen einzigen Blick darauf. Er beobachtete, wie Jestak – der große Jestak – die Botschaft las, die er gebracht hatte, wie seine Augen über die Zeilen flogen.
Jestak setzte sich. Er klopfte ein paarmal mit der Botschaft auf die Tischkante.
»Was ist damit, Jes?« fragte Waldura, ein älterer Shumai in der Kleidung eines Axtschwingers.
»Ich weiß es nicht. Vielleicht nichts. Vielleicht alles.
Möglicherweise muß ich nach Pelbarigan. Aber ich brauche einen Grund. Meine Mutter sagte, dieses Mädchen, von dem wir gehört haben – Celeste – kommt tatsächlich aus der Kuppel, die die Shumai beim Frühlingsanfang beobachten. Dieser Junge hier und sein Onkel haben sie gefunden.«
»Sein Onkel?«
»Tor.«
»Tor also. Der südliche Axtschwinger. Das muß ei-ne Geschichte sein. Du – wie heißt du?«
»Tristal.«
»Hast du schon gegessen? Können wir ihm etwas zu essen geben? Wir müssen das alle hören.« Eintopf wurde gebracht, und alle hörten Tristal zu – sogar Fahna, die mit dem Essen hereingekommen war –, während er von den Ereignissen berichtete, die mit Celeste zu tun hatten und die Notwendigkeit des Stillschweigens unterstrich. Während er sprach, runzelte Fahna spöttisch die Stirn. Er war in das Mädchen verliebt. Das sah sie. Dieser elende Kerl. Obwohl er sie als schwach und spindeldürr beschrieb, liebte er sie. Das konnte jeder sehen – bis auf diese dummen Erwachsenen. Nun, schlag ihn dir einfach aus dem Kopf! Andererseits war er ernst und bescheiden, und obwohl er noch ein Knabe war, hatte er
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