Pelbar 4 Der Fall der Muschel
lebendes Bild. Ihre Mutter starrte nach oben und blinzelte nervös. »Was ist ...« begann Gamwyn, aber von hinten schoß ein Seil hervor und legte sich um seinen Hals.
Er drehte sich um und sah einen Nicfad, der das Seil festzog, aber nicht so, daß es ihn umgerissen hätte.
»Gib acht auf den Fisch, Sklave!« sagte der Nicfad grinsend. Gamwyn schrie auf und ließ ihn in das trü-
be Wasser fallen. Voller Wut riß der Mann ihn nieder und zerrte ihn durch Schlamm und Wasser, endlich zog er ihn am Seil hoch und erdrosselte ihn dabei fast.
»Mach das nicht noch einmal!« knurrte er. »Du hast in High Tower genug Schuld zu bezahlen.« Er ließ das Seil locker, und Gamwyn keuchte und rang nach Luft. Der Nicfad zerrte ihn zum Floß und warf ihn darauf.
»Was ist mit unserem Essen?« fragte Daw. »Er brachte uns Essen.« Der Nicfad sagte nichts, sondern schob das Floß hinaus in den dunkler werdenden Fluß. »Was ist mit Essen? Wir müssen essen«, sagte Daw hartnäckig.
»Hinlegen, Komiteefrau!« sagte der Mann grob.
»Ich weiß nicht, wieviel Freunde dieses Mörders hier in der Gegend sind. Wenn wir die ganze Nacht rudern, müßten wir morgen früh bei Tagesanbruch High Tower erreichen. Dann seid ihr in Sicherheit.
Dort gibt's genug zu essen. Und die gerechte Strafe für diesen Mörder.«
»Mörder? Gamwyn? Er hat uns geholfen.«
»Er ist einer von ihnen, den Mördern. Du wirst sehen. Was sagt die andere Komiteefrau?«
»Feßle ihn, Daw!« sagte die Mutter. »Der Nicfad hat recht.«
Daw fesselte Gamwyn, aber nicht brutal. Während sie die letzten Knoten festzog, beugte sie sich dicht über ihn. Er konnte ihren warmen Atem spüren und ihre kleine feste Brust an seiner Schulter fühlen. »So«, sagte sie. »Er ist genug gefesselt.« Sie rückte von ihm ab. Gamwyn wußte, daß sie Mitleid mit ihm hatte, aber plötzlich fand er sie genauso abstoßend wie die anderen. Es war alles so jämmerlich.
Mitten in der Nacht begann es zu regnen, in Schauern, mit viel Wind und gelegentlichen Blitzen. Der Nicfad sagte nichts, ruderte unermüdlich weiter. Daw legte sich nieder. Sie berührte Gamwyn mit ihrem Fuß, ließ ihn neben seinem Bein liegen. Er sprach die ganze Nacht kein Wort. Was meinte der Nicfad? Welche Schuld sollte er in High Tower wie bezahlen?
Der Morgen dämmerte grau und ungemütlich. Es war noch nicht ganz taghell geworden, als sie um ei-ne Biegung fuhren und der Nicfad sagte: »Komiteefrau, vor uns liegt High Tower. Dort werden sie sich um dich kümmern. Und um das Mädchen. Und diesen mörderischen Sklaven.«
Als sie sich der Anlegestelle näherten, nahm sie ein Trupp in schwarzes Leder gekleideter Nicfad in Empfang. Gamwyn wurde hochgerissen und auf die Skla-venquartiere zugestoßen, die nahe am Fluß lagen. Als er aufschaute, sah er den Turm, voller weißer Knochen wie der von U-Bend, aber viel größer. Er stand auf höherem Gelände, ein Stück vom Fluß entfernt.
Wieder schauten die Siveri teilnahmslos von ihrer Arbeit auf, als die Nicfad Gamwyn mit Stößen und Püffen in den Raum am Fuß einer der Wach türme trieben. Er wurde ins Innere gestoßen, die Tür schloß sich hinter ihm. Erschöpft und hungrig lag er im schmutzigen Stroh. Gegen Sonnenhochstand riß ein Nicfadführer die Tür auf, starrte zu ihm herein und knallte sie wieder zu. Wieder kamen Wind und Regen, dann schien ein wenig die Sonne.
Gamwyn versuchte zu beten, zuerst vergebens, weil er so hungrig und durstig war und Angst hatte, aber dann beruhigte er sich mit leise gesungenen Pel-barhymnen. Er war immer noch wütend auf sich selbst, weil er so dumm gewesen war und Daw und ihrer Mutter hatte helfen wollen. Aber er fand immer noch, das sei er ihnen schuldig gewesen.
Nachdem es wieder dunkel geworden war, hörte Gamwyn draußen Geräusche, und die Tür öffnete sich knirschend. Er schaute auf und sah einen Trupp Nicfad. Man riß ihn hoch und führte ihn hinaus zum Fluß. Als er sich in wilder Angst umschaute, stellte er fest, daß anscheinend die gesamte Bevölkerung anwesend war und in Reih und Glied das Ufer säumte.
Man führte Gamwyn zu einer Plattform in der Nä-
he des Flusses. Als er sich umschaute, sah er Reihen von Sklaven. Hinter ihnen stand eine Reihe Nicfad mit gespreizten Beinen, Stöcke in den Händen. Hinter den Nicfad standen die Arbeiter. Als Gamwyn, während man ihn weiterzerrte, über sie hinwegschaute, sah er, daß sich überall am Turm Gesichter drängten, die alle zu ihm herunterschauten. Eine plötzliche
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