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Pelbar 6 Das Lied der Axt

Pelbar 6 Das Lied der Axt

Titel: Pelbar 6 Das Lied der Axt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Williams
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auf drei Seiten. Die rechte Wand wurde von einer Galerie un-terteilt, die von gewaltigen Holzsäulen mit komplizierten Schnitzereien getragen wurde. Vor ihm stand ein Podium, auf dem ein langgesichtiger Mann hinter einem prunkvollen, mit gehämmertem Kupfer be-schlagenen Tisch saß. Der Mann trug ein feingeweb-tes Gewand, dunkelblau, mit weißen Paspeln. Um den Hals hatte er eine schwere Kupferkette mit einem Medaillon, das vor ihm auf dem Tisch ruhte. Der Mann winkte den Wachen, sie sollten Tristal nach vorne bringen. Als Tristal näherkam, stützte der Mann das Kinn in die Hand und schaute ihn an.
    »Du«, begann er mit tiefer, kratziger Stimme. »Wie ich hörte, hast du eine gute Grabrede gehalten. Ich will mehr davon wissen.«
    »Ich ... ich habe nur gesagt, was mir gerade in den Sinn kam, um sie davon abzuhalten, mich zu töten. Es war bestimmt nichts Besonderes.«
    »Die darin enthaltenen Gedanken wurden mir schon mitgeteilt. Wenn die Familie Campban auch betrunken war, so sind wir doch ein Volk mit vielen Ideen und vergessen sie nicht. Sehr interessant. Wo hast du diese Dinge gelernt?«
    »Herr, ich bin weit gereist und habe bei den ver-schiedensten Leuten gelebt. Ich habe nur gesagt, was mir in den Sinn kam. Die Pelbar wissen viel mehr über solche Sachen, als ich je wissen werde. Die Menschen aus dem Eistal ...«
    »Die Pelbar? Wer ist das?«
    »Sie leben weit im Osten, jenseits der Berge und Ebenen, am Heart-Fluß.«
    »Bist du von da gekommen?«
    »Nicht direkt, Herr. Ich bin mit meinem Onkel aufgebrochen, um das Eisland zu sehen. Im Laufe der Zeit wanderten wir bis zur Meeresküste, und dann kam ich hier herunter und wurde euer Sklave.«
    »Wie weit ist das?«
    »Ich glaube, etwa zweitausend Ayas, das sind ungefähr dreitausendzweihundert Kilometer.«
    »Wieviel ist das in Gezeitenspannen?«
    »Das weiß ich nicht, Herr. Damit habe ich noch nie gemessen.«
    Der Gouverneur klopfte mit den Fingern auf den Tisch. »Nun, die Campbans haben mich gebeten, dich zu belohnen. Welche Belohnung möchtest du haben?«
    »Belohnung? Ich möchte meine Axt, und ich möchte natürlich, daß man mich gehen läßt.«
    Der Gouverneur betrachtete seine Fingernägel. »Du hast um zwei Belohnungen gebeten. Welche würdest du vorziehen?«
    Tristal zögerte. Natürlich wollte er fort, aber es erschien ihm unmöglich, ohne Tors Axt zu gehen, so irrational das auch war.
    »Dann könnte ich vielleicht darum bitten, mich in den Zustand zurückzuversetzen, in dem ich war, ehe deine Leute mich gefunden haben.«
    »Das ist wirklich raffiniert. Sag mir, warum ist die Axt so wichtig? Sie gibt einen schönen Wandschmuck ab, aber die Freiheit kann sie doch wohl nicht auf-wiegen.«
    Tristal folgte dem Blick des Gouverneurs und sah die Axt an der Südwand, an der Vorderseite der Galerie hängen. Sein Herz machte einen Satz, und er spürte, wie sich seine Muskeln verkrampften.
    »Sie ist nicht wichtig. Ich gehe auch ohne die Axt, wenn es nicht anders möglich ist. Sie ist ein Symbol, für den Freiheitssinn der Shumai.«
    »Den Freiheitssinn? Das ist keine richtige Antwort auf meine Frage, Sklave.«
    »Die Axt gehörte meinem Onkel. Sie ist alles, was ich noch von ihm habe. Sie ... sie ist das Zeichen eines Amtes – oder war es. Ich bin ein Shumai, und mein Onkel trug sie als Führer einer Jägerbande.«
    In diesem Augenblick erschütterte wieder ein Erdstoß die Halle, zuerst leicht, dann mit steigender Heftigkeit. Der Gouverneur hielt sich erschrocken am Tisch fest. Tristal blieb ungerührt stehen. Endlich beruhigte sich die Erde, und der Gouverneur fand seine Gelassenheit wieder.
    Er starrte Tristal kurz an, dann sagte er: »Sollten wir dir die Axt geben, ohne dir die Freiheit zu schenken, dann fiele sie natürlich sofort an uns zurück, da Sklaven kein Eigentum besitzen – besonders kein so gefährliches. Sollten wir dich freilassen, dann müßtest du natürlich all deine Kleidung zurückgeben, denn sie gehört uns, und wenn du aus diesem Raum und diesem Gebäude trätest, würde man dich wegen un-sittlichen Verhaltens erneut verhaften, und deine Freiheit wäre dahin. Du mußt lernen, bescheiden zu wählen.«
    »Bescheiden wählen? Ist das der Zweck dieser ganzen Farce?«
    Der Gouverneur erhob sich zornig. »Farce?«
    »Kränkt dich das Wort? Ich weiß eigentlich gar nicht genau, was es bedeutet. Die Pelbar nennen so ein sinnloses Spiel. Aber wenn ich bescheiden wählen soll, dann möchte ich vielleicht irgendwann noch einmal ein

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