Pelbar 6 Das Lied der Axt
Priester diesen Ort brauchen, um ungestört singen zu können und damit das Eis zurückzuhalten, ist durchsichtig. Die Leute haben nur Angst davor, daß niemand sie ihnen glaubt.«
Sie erreichten Sedge mehr als eine Woche später, jeder hatte eine Ladung Trockenfleisch, die er hinter sich herzog, die Häute oben draufgepackt. Tor spürte sofort die Spannung. Als sie die Lastschlitten auf dem freien Platz in der Mitte des Kreises aus hügelförmigen Hütten abstellten, kamen nur ältere Frauen, um von dem Überfluß zu nehmen. Mehrere Jäger winkten ihnen zu, aber keiner kam näher, um sie zu be-grüßen.
Dann erschien Tegrit dicht neben Tor und sagte: »Sei vorsichtig. Priester haben behauptet, daß du viele Lügen über andere Orte erzählt hast. Leute in Aufruhr. Achte auf Dardan! Ich spüre, daß sie versuchen, ihn zu benützen. Da kommt er. Er ist nicht er selbst.«
Dardan hatte sich aus seiner Familienhütte geduckt und schritt, den Speer auf den Rücken geschnallt, über den freien Platz.
»Ho, Dardan«, rief Tor grinsend. »Willst du Fleisch?«
»Ich kann mir soviel Fleisch holen, wie ich brauche, Shumai.«
»Das stimmt. Geht's dir gut?«
»Recht gut. Ich will Antwort von dir. Alle Jäger voll von Lügen, die du über andere Orte erzählst. Warum hast du das getan? Ich möchte, daß du es zugibst. Das ist hier rauhes Land. Wir können uns nicht von Lü-
gen durcheinanderbringen lassen. Können nicht zulassen, daß Leute sehen wollen und fortgehen. So. Ich habe mich entschieden. Ich werde Jäger rufen, und du gestehst Lüge ein. Sag alles! Du wirst es tun. Dann nehme ich vielleicht Fleisch.«
»Dardan, nein!« sagte Tegrit.
Dardan funkelte ihn zornig an. Feindseligkeit schien sich aufzutürmen wie eine Staubwolke im auf-frischenden Wind. »Haben die Priester verlangt, daß du das sagst?« fragte Tor sanft.
»Nein. Es ist zu offensichtlich. Wunderbare Geschichte. Wintergeschichte. Du, Tor, bist ein Lügner!«
Dardan beugte sich über Tor und schrie ihm Beschimpfungen ins Gesicht.
»Beruhige dich bitte, Dardan«, sagte Tegrit. »Sei ...«
»Still, du alter ausgedörrter Vogelschiß!« schrie Dardan.
»Schon gut«, sagte Tor wieder ganz ruhig. »Ich ge-be es zu. Es waren alles Lügen. Alles. Jedes Wort eine Lüge. Bist du jetzt zufrieden?«
»Nicht genug!« schrie Dardan. »Du erzählst es allen. Dann kriechst du. Kriechst über diesen Platz und bittest um Verzeihung!«
Tor trat zwei Schritte zurück, und Tegrit drängte sich dazwischen und sagte: »Dardan. Dardan! Er hat es zugegeben. Verlange nicht auch noch ...« Dardan stieß ihn beiseite, der alte Mann prallte hart gegen seinen Holzhaufen und fiel vornüber zu Boden.
»Ah«, murmelte Tegrit. Tristal beugte sich zu ihm hinunter. Aus Tegrits Nase floß Blut. Der Alte stand mühsam auf, trat wieder vor und sagte: »Dardan, du darfst nicht ... Es sind die Priester, die wollen, daß du ...«
Tor trat vor, Tegrit winkte ihm, er solle zur Seite gehen, und Dardan stieß mit einem Schrei mit seinem steinernen Gürtelmesser nach Tor, alles in einer einzigen blitzschnellen Bewegung. Irgendwie hatte sich Tegrit dazwischengezwängt und bekam den schräg geführten Stoß in die Brust. Tor packte Dardan beim Handgelenk, riß ihn nach vorne, drehte ihm den Arm auf den Rücken und warf ihn zu Boden. Andere wollten auf sie zulaufen. Dardan schlug unter Tor um sich, aber bald hielten andere ihn fest.
Tristal wiegte den Alten. Blutbläschen quollen aus seinem Mund. Er winkte schwach mit dem Arm.
»Laß mich herunter, Tristal«, murmelte er kraftlos.
»Gebt nicht Dardan die Schuld. Ihr, Ardit, Roten, Ju-ni, paßt auf! Gebt nicht Dardan die Schuld! Wißt ihr ... was Tor sagte, ist wahr. Und auch ... seht ihr jetzt, was für gute Messer ... ich mache?« Er kicherte leise, dann verschleierten sich seine Augen.
Orsel kreischte auf und klammerte sich an ihn.
Dardan wurde auf die Füße gezogen, vier Männer hielten ihn fest. Er starrte mit leerem Blick vor sich hin. »Du«, rief Orsel mit schriller Stimme. »Du hast ihn getötet!« Sie überließ sich ihren Tränen.
Dardan wurde plötzlich passiv und schlaff. Er funkelte Tor zornig an. »Wir machen das noch miteinander ab«, polterte er.
»Ruhig, Dard!« verlangte Ardit. »Du hast schon genug angerichtet. Ruhig!«
»Halt!« rief ein Priester. »Ich habe es gesehen. Ist er also tot?«
»Aaaaaahhhhhh!« schrie Orsel gellend.
»Dann, Dardan, hast du gemordet. Bringt ihn in Dunkelhaft. Der Rat wird über ihn
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