Pelbar 6 Das Lied der Axt
Einige haben Töchter und Söhne verloren. Manche wurden niedergebrannt und haben einen großen Teil ihrer Heuernte verloren. Das hat sie auf mehrere Jahre hinaus arm gemacht.«
»Es geschieht so selten. Ich habe gehört, daß du einiges erfahren hast. Mein Bruder erzählt es mir immer.«
»Er. Da er Südsektorrichter ist, hatte ich genug mit ihm zu tun, daß es mir für lange Zeit reicht. Nichts für ungut.«
»Nein. Ich verstehe es ja. Willst du bei uns bleiben?«
»Ist dir klar, daß wir jetzt schon über ein Jahr hier sind? Und ich bin nicht näher daran, einen Ausweg aus diesem Tal zu finden als damals, als wir hier an-langten.«
»Warum hast du es so eilig, fortzukommen? Es ist doch nicht schlecht hier. Gute Leute. Ein nützliches Leben. Viel zu tun. Du könntest heiraten, dich hier niederlassen.«
»Das hätte ich auch schon in Nordwall haben können. Das ... paßt nicht zu mir, Freifrau Arbyr. Ich ha-be immer im Freien gelebt. Ich habe immer noch das Gefühl eines ... eines unerfüllten Schicksals. Ich weiß, das klingt seltsam. Aber es wird dazu kommen. Sicher.«
»Nenn mich Frith. Und was ist mit Tristal?«
»Tristal?« Tor verstummte lange. »Er hat es in sich, ein wahrer Führer zu werden. Mehr, als ich es jemals kann. Wegen seiner Bindung an Menschen – die ich nicht habe.«
»Sicher hast du sie. Jeder weiß, wie besorgt du sein kannst. Als ich dich kennenlernte, hast du gerade Ernest nach Hause ins Bett getragen.«
»Etwas für Menschen zu tun, heißt nicht, sie zu brauchen. Sie sind einem oft im Weg.«
»Im Weg? Wobei?«
»Beim Sehen. Wissen. Nach etwas Ausgreifen ... ich weiß nicht, wonach. Das klingt nicht sehr vernünftig, wie?«
Freifrau Arbyr überlegte. »Nein, wohl nicht. Ich verstehe es nicht. Aber daraus entspringt vermutlich dein besonderes Talent. Deine Fähigkeit zu wissen.«
Ami trat ein, ging zum Knie ihrer Mutter, stützte sich darauf und schaute Tor an. Dann kam sie zu ihm, kletterte auf seinen Schoß und kuschelte sich dort zusammen.
Arbyr schaute die beiden mit einem leicht ironi-schen Lächeln an. »Nun, du bist willkommen bei uns, so lange du bleiben willst. Arbeit gibt es genug. Du scheinst ja fast alles zu können.«
»Ja. Ich würde gerne eine Weile hierbleiben, wenn es geht. Ich möchte ... ich würde gerne ein kleines Boot bauen ... diesen Winter. Wenn du das Holz entbehren kannst.«
»Ein Boot? Um aufs Wasser zu gehen? Wo? Am Blausee?«
»Fürs erste. Das Wasser muß irgendwohin abflie-
ßen. Vielleicht gibt es einen Abfluß, den man befahren könnte.«
»Und Tristal?«
»Tristal ebenfalls, wenn er mitkommen will. Ich spüre ... ich hörte ...«
»Elayna?« Arbyr lachte. »Das ist die Geschichte eines Träumers. Nichts für ungut, aber das ist eine Sache der Stellung. Das mußt du verstehen.«
»Ich habe mich schon gewundert. Ja. Aber ...«
»Du meinst, sie sind jung? Leidenschaftlich? Leidenschaftlicher als ältere Leute?«
»Ich meine, daß ich diesen Sommer in den westlichen Wäldern sonderbare Spurenpaare gefunden ha-be. Ich habe nur einige beschrieben. Aber da heißt es reich mit arm, schön mit häßlich. Genauso, wie sich die Ehen dann ergeben.«
»Sie könnte eine schlechtere Wahl treffen als Tristal. Aber das Gut bekommt Ernest. So funktioniert das. Sie muß gut heiraten, damit sie gut leben kann.
Ich möchte nicht, daß sie die Frau eines Farmarbeiters wird. Und das wäre sie mit Tristal.«
»Ja. Das dachte ich mir schon. So wird es auch im Westen gehandhabt. Die Güter verlieren keine Kinder. Nur die Arbeiter. Die Güter sind nicht so betroffen. Sie bestimmen die Politik. Einige von den Arbeitern sind ziemlich verbittert.«
»Daran kann ich nichts ändern. Ich muß einfach damit leben. So. Willst du arbeiten? Schwer oder leicht? Ich sehe, daß du fast alles kannst, trotzdem ...«
»Alles, was nötig ist.«
»Der Flachs ist bereit. Wir brauchen Hilfe beim Weben. Du solltest auch das kennenlernen. Wenn du hier nicht fortkommst, ist jede Fähigkeit wertvoll. Für das Boot bleibt noch genug Zeit. Noch etwas ...«
»Ja?«
»Wenn du des Bootes überdrüssig wirst, wenn du keinen Weg nach draußen findest, möchte ich es haben. Im ganzen Tal gibt es nicht mehr als zwei oder drei. Einverstanden?«
»Natürlich.«
Bald danach begannen sich im fernen Nordwall die Blätter zu verfärben, und zur Ernte wurde ein Herbst-fest gefeiert, mit Festmählern, Tanz, Ansprachen und Spielen. Während Fahna einem Reigentanz zusah, spürte sie, daß sich
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