Pelbar 6 Das Lied der Axt
Wilder, auch wenn es nur ein Hund ist«, sagte Thebeau. »Geh zu-rück zu deinem Getue wegen irgendwelcher Überfälle! Scheint dir zu gefallen, Wilder. Du bringst alle damit zum Lachen.«
Tor ging ohne ein weiteres Wort.
In diesem dritten Winter im Tal kehrte Tor nicht zu Freifrau Arbyr zurück. Es hatte einige Spannungen wegen Tristal und Elayna gegeben, aber Tristal hatte genügend Leute mit seinen mathematischen Kennt-nissen verblüfft, um sich für den Winter einen Posten als Lehrer in Blue Lake zu sichern. Und Tristal zog sich auch von Tor zurück – weil dieser sich fast nur noch mit den Möglichkeiten eines Überfalls beschäftigte. Tor bekam Arbeit bei einer Holzfällermann-schaft am Westhang, er blieb mit Lady viel allein und lebte in einer Mannschaftshütte hoch oben auf dem Hang. Er versuchte, das Eis im Winter zu besteigen, hatte aber keinen Erfolg damit. Als Tristal einmal kam, um ihn zu besuchen, war er erstaunt, wie geistesabwesend, schweigsam und hager sein Onkel geworden war. Er fand Skizzen von den Gleitflügeln der Segler, vieles ausgekratzt und neu gezeichnet. Tor versuchte Tristal zu überreden, sie sich anzusehen und sich zu erinnern, was er vergessen hatte, aber Tristal wußte noch weniger als er.
Im dritten Sommer blieb Tor in der Holzfällerhütte und bewachte die Westseite allein, gelegentlich besuchte ihn Bob, der Mann des Sheriffs, der Zuneigung zu ihm gefaßt hatte und sich nun Sorgen um ihn machte. Bei einer Gelegenheit traf ihn Bob dabei an, wie er sich einen Satz Gleitflügel baute.
Bob nickte zu Tors Erklärungen, schließlich fragte er: »Du wirst sie aber doch nicht wirklich ausprobie-ren, oder?«
»Warum nicht? Ich fange mit einem einfachen Gleitflug an und arbeite mich weiter. Bob, ich muß doch etwas tun! Ich war wieder weit oben im Eis, aber es ist ein Labyrinth, wie eine Bienenwabe. Das schaffe ich nie. Und ich will hier raus. Irgendwie. Irgendwann.«
»Nun, dann versprich mir eines!«
»Was?«
»Du kommst und holst mich, ehe du so etwas an-fängst. Es muß schließlich jemand in der Nähe sein, der dich wieder vom Boden abkratzen kann.«
»Einverstanden, wenn du mir versprichst, nichts zu verraten. Die Leute lachen schon genug über mich.
Das ist mir alles egal, bis auf diese Fremden, die hier immer wieder auftauchen. Ich möchte, daß die irgend jemand ernst nimmt.«
»Ich verspreche es dir. Ach ja, das hätte ich fast vergessen. Ich habe einen Brief für dich von Emily Fenbaker. Sie ist über irgend etwas verärgert.«
»Genau wie alle anderen«, sagte Tor, nahm den Brief und setzte sich, um ihn zu lesen. Er hielt ihn ziemlich weit von sich ab. In schöner Handschrift stand da:
Ich habe gehört, du hättest Roland Thebeau gebeten, zu mir zu kommen und mich aus meiner Verlassenheit zu erlösen. Dazu hattest du kein Recht. Du versuchst ständig, alle zu bevormunden. Närrischer, alter Mann. Es geht mir nicht gut, aber jetzt geht es mir noch viel schlechter. Thebeau wird das überall herumtragen. Er ist zornig und hochmütig. Wie konntest du mir nur so etwas antun? Ich möchte dich nie wieder sehen oder mit dir sprechen und verbiete dir ausdrücklich, dich noch einmal in irgendeiner Weise in meine persönlichen An-gelegenheiten einzumischen.
»Nicht gut, wie?« fragte Bob. Tor hielt ihm den Brief hin. »Ich kann nicht lesen, weißt du«, fügte er hinzu.
»Vorlesen werden ich ihn dir nicht.«
»So schlimm. Willst du eine Antwort geben?«
Tor seufzte. »Ich weiß nicht, ob sie sie lesen wird.
Na ja, ich schreibe etwas.«
Und er schrieb mit einem angespitzten Stück Holz-kohle: Es tut mir leid, Kleines. Die Verachtung fält gans auf mich. Ich libe dich und werde mich nicht mer einmischen. Hofen wir, das mein Feier nicht so schlim war, wi du sagst. Dann leb wol. Tor.
Der dritte Sommer, in dem Tor und Tristal nun im Eistal weilten, war weit fortgeschritten. Der Schnee war fast ganz geschmolzen. Bob stand neben Tor auf einem Abhang in einem entlegenen Teil der westlichen Schafweide.
»Bist du sicher, daß du das tun willst?« fragte Bob.
»Nein. Muß es versuchen. Wenn es nicht funktioniert, versuche ich, es etwas zu verändern.«
»Du weißt aber schon, daß du kein Vogel bist.«
Tor antwortete nicht, sondern rannte zum Rand des kleinen Steilhangs und sprang ab, er glitt schnell abwärts, hob sich ein wenig im Nordwind, dann sank er, lief, so schnell er nur konnte und stürzte schließ-
lich rutschend bergab, die Flügel klappten zusammen. Bob rannte den
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