Pelbar 6 Das Lied der Axt
er das Baby und wickelte es in den Rest des Mantels. Trotz des ganzen Tumults ringsum wimmerte der Säugling nur gelegentlich im Schlaf. Aber als es im Osten hell wurde, waren die Kinder völlig erschöpft, und das Baby schrie aus voller Kehle. Tor schaute ständig nach hinten, hörte aber nur fernes Rufen. Er hoffte, den Ballon wiederzufinden.
Glücklicherweise hatten die jüngsten Niederlagen die Gegner Vorsicht gelehrt. Noch nie war ihnen jemand auf das Eis hinauf gefolgt, daher hatten sie vielleicht weiter vorne einen Hinterhalt befürchtet. Au-
ßerdem mußten sie zutiefst erschöpft gewesen sein.
Sie hatten ja nicht nur fast den ganzen Tag gekämpft und waren schwer geschlagen worden, sie waren auch die Eiswand wieder hochgeklettert und hatten ohne zu rasten den Rückzug angetreten. Tor hatte sich wenigstens am vorhergehenden Nachmittag ausgeruht und war den Gletscher hinaufgeschwebt.
Als die Sonne aufging, hielt Tor die Kinder so weit wie möglich in Eisrinnen, aber er trieb sie auch ohne Pause weiter. Dem Säugling band er einen kleinen Knebel über den Mund. Der versuchte entrüstet zu schreien, bis er am Schleim in seiner Nase beinahe er-stickte. Es war nicht der glücklichste Tag seiner Kindheit.
Endlich fanden sie den Ballon. Tor schickte die Kinder weiter voraus, während er ihn über das Eis schleppte und im Gehen versuchte, ihn in Stücke zu zerteilen. Hinter sich hörte er von ferne einen Schrei und drehte sich um. Weit entfernt sah er kleine, dunkle Flecken. Die Verfolger hatten ihn entdeckt. Er trieb die Kinder unerbittlich an und folgte ihnen, den Stoff hinter sich herzerrend.
Als sie nahe am Rand der Eiswand steiler abstie-gen, schien es für die Kinder leichter zu werden. Tor mußte schreien, um sie zu warnen, damit sie nicht zu schnell liefen und ausrutschten. Auch er kam auf dem Abhang schneller voran. Als er den Rand erreichte, sah er überrascht, wie schroff er war. Er ließ die Kinder im Schnee niederkauern und gab dem Jungen den Säugling, Renee mußte ihm helfen, den Stoff in lange Streifen zu reißen. Sie weinte vor Erschöpfung.
Er hörte in der Nähe einen Schrei. Schnell schnitt er die Halteseile los, begann, Ballonstreifen zusammen-zubinden und machte in das Ende zwei Schlingen.
»Renee!« rief er. »Du nimmst das Baby!« Er legte die Schlinge um sie, band den Jungen in die zweite und ließ das Seil mit den Worten über den Rand laufen: »Wenn ihr das Ende erreicht, müßt ihr euch eine Stelle suchen, an der ihr euch festhalten könnt. Es gibt keine andere Wahl. Dann zieht ihr das Seil herunter, macht es fest und laßt euch eine halbe Länge weiter hinunter. Schafft ihr das?«
»Ich ... ich glaube schon«, rief Renee.
Sie verschwanden über die Kante. Tor rief ihnen nach: »Renee, ich lasse los, sobald ich alles ausgege-ben und eine Zeitlang gewartet habe. Von da an seid ihr auf euch selbst gestellt.«
»Was ist mit dir?« rief sie zurück. Ja, was war mit ihm? Tor wußte es nicht. Er schwieg.
Der Stoffstreifen war zu Ende, und er hielt ihn noch eine Zeitlang fest. Dann warf er das Ende hinaus und schloß einen Augenblick die Augen, ihm war ganz schlecht vor Angst um die Kinder. Schließlich drehte er sich um. Sechs Gegner waren über ihm und rückten heran.
Er rappelte sich auf, rannte an der Eiskante entlang nach Norden und sprang dabei über breite Spalten.
Der erste Angreifer sauste an ihm vorbei. Er wußte, daß bald ein zweiter folgen würde. Dann lief er in ei-ne Spalte hinein, bis er außer Sicht war, kletterte nach oben und sprang über den Rand – direkt einem der Männer vor die Füße.
Der Mann schrie auf, als Tor mit der Schulter gegen ihn prallte, seine Axt herausriß und ihn erledigte.
Dann rannte Tor die Spalte entlang, weg von der Eiswand, flankte über den Rand, als die Spalte flacher wurde, und spürte erst jetzt den Schmerz von einem Pfeil, der in Taillenhöhe an seiner Seite entlangge-schrammt war. Er kletterte über zwei weitere Spalten und sah dann über sich drei Gegner mit einem Seil.
Sie hatten ihn noch nicht entdeckt.
Einen Augenblick lang schloß er die Augen und überlegte, ob er sie schaffen könnte, dann biß er sich auf die Lippen, rannte die Spalte hinauf, schätzte ab, wo sie sein könnten, kletterte seitlich hinauf und sprang. Die Männer schrien auf, aber ehe sie reagieren konnten, war Tor mit einem Axtstreich für den ersten und einem Schwung für den zweiten und dritten über ihnen. Weiter unten hatten ihn weitere gesehen. Er
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