Pelbar 7 Das Schwert der Geduld
Geistlichen gäben das Buch nur zögernd heraus, und dann nur mit umfang-reichen Belehrungen.«
»Wir glaubten, das läge im Bereich deiner Richtlinie, Protektorin.«
»Schau da hinunter, Jun! Siehst du, wie die Gardisten diesen Satz auslöschen? Schau! Sie haben mit dem Ende der Zeilen angefangen.«
»Ja.« Jun zögerte. »Ich verstehe dich nicht, Protektorin.«
»Diese Worte lauteten ›Freuden‹ und ›Frieden‹.«
»Das hältst du also für bedeutsam, Protektorin?
Mir scheint es wichtiger, daß in Pels Original stand: ›Ihr möget standhalten in Freuden und geschützt sein in Frieden.‹«
»Was ist der Unterschied, abgesehen von Freuden und Frieden? Aber du mußt mich jetzt entschuldigen, ich muß mit jemandem sprechen. Mit dir unterhalte ich mich später, wenn du willst.«
»Aber, Protektorin ...«
»Geh!«
Alance war allein, als kurze Zeit später Eger ein-gelassen wurde. Sie war eine Frau in den mittleren Jahren, von Beruf Keramikerin, klein und zur Fülle neigend. Ihr graues Haar trug sie in der Mitte ge-scheitelt und nach Shumai-Art in zwei feste Zöpfe geflochten. Alance winkte sie zu einem Stuhl und bot ihr Tee an.
»Die anderen warten, Protektorin. Ich darf sie nicht in der Kälte stehenlassen, während ich Tee trinke.«
»Sie können hereinkommen. Sie können auch hierbleiben. Es ist wegen des Buches, nicht wahr? Lohnt es sich denn wirklich, dafür euer ganzes Leben hier in Pelbarigan aufzugeben?«
»Wegen des Buches? Nein. Wir haben Pels Schriften, soweit wir sie brauchen, Protektorin. Es geht um die Art und Weise, wie es unterdrückt wird, auch wenn dabei noch so sanft vorgegangen wird. Wir waren uns einig. Die Welt öffnet sich. Stel sollte auch seine Rechte haben.«
»Stel?«
»Und Cwire, mein Mann. Und andere. Außerdem tut sich in Nordwall so einiges. Man kann uns dort brauchen. Das Buch war vielleicht nur der Funke, der einen Haufen trockener Unzufriedenheit in Brand gesteckt hat, Protektorin. Mit dem Leben, das wir hier immer geführt haben. Wir wollen uns umsehen. Es gibt so viele Möglichkeiten.«
»Aber wir sind mitten im Winter.«
»Eine Zeit ist so gut wie die andere. Es gibt hier keine Feinde. Wir können uns ausreichend warm-halten. Man hat uns gesagt, es gäbe Platz und Arbeit.«
»Das Buch ist also ein Funke.«
»Für einige. Andere sind das Feuerholz. Leb wohl, Protektorin. Ich muß gehen. Ich habe kein Verbrechen begangen.«
»Nein.« Alance blickte sich um und suchte etwas, das sie Eger schenken könnte, da kam ihr zufällig ein Kästchen in Einlegearbeit in die Hände. »Hier, nimm das! Ein Geschenk für die Reise.« Sie öffnete es, nahm ein Stück Birkenrinde heraus und legte das Kästchen dann in die immer noch im Fäustling steckende Hand Egers. Sie umarmten sich, und erst als Eger ging, erinnerte sich Alance, daß Stel das Kästchen gemacht hatte, für sie, und daß er ein besonderes Symbol aus gekreuzten Shumai-Lanzen, von eingelegten Seilen aus dunklem Holz zusammengebunden, eingearbei-tet hatte. Nun, um es zurückzuverlangen, war es zu spät. Sie warf einen Blick auf die Birkenrinde. Darauf stand: Dies machte Stel, zur Feier deiner Wahl als Ratsmitglied für den Westquadranten. Er ist ruhelos hier am Isso und möchte schnell zurückkehren, aber ich genieße die Ruhepause. Raydi ißt jetzt feste Nahrung, und so bin ich auch dieser Sorge ledig.
Alances Hand zitterte. Es war ein alter Brief, ein altes Geschenk. Sie warf die Rinde ins Feuer und sah zu, wie sie brannte, wie eine Freundschaft, angezündet aus politischer Notwendigkeit, die jetzt zu Asche wurde.
Als sie sich dem Tisch zuwandte, bemerkte sie zum erstenmal ein Stück Papier, das dort lag. Mit gerunzelter Stirn hob sie es auf und las: Du mußt deinem Feind aufrecht gegenübertreten, wenn es zur Konfrontation kommt und wenn du weißt, daß du recht hast. Vergiß nicht, daß deine Ansicht in deiner Wahrhaftigkeit begründet ist, wie eine auf Stein gebaute, steinerne Stadt, die kein Regen und keine Überschwemmung fortreißen können.
Hier liegt deine Stärke. Pel, Rolle 7, Kap. 18.
Jetzt fingen also auch die Konservativen an, mit Zitaten um sich zu werfen. Alance wußte, daß sie versucht hatte, in der Mitte zu bleiben, mit einem Kopfnicken zu den Getreuen hin, aber es lief nicht so, wie sie gedacht hatte. Vielleicht würde die Stadt einen Sprung bekommen und zerbrechen wie die anderen. Vielleicht war das ein notwendiger Teil der neuen Zeit, so schwierig einem das vorkommen mochte.
Aber es
Weitere Kostenlose Bücher