Pelte, Reinhard
eingedeckte Tafel.
»Ja, weißt du Jungi, ich habe gedacht, scheiß auf den immer gleichen französisch-italienisch-asiatischen Teuerkram, ich mach mal was ganz anderes. Es gibt ein englisches Dinner. Was sagst du nun?« Immo sah ihn erwartungsvoll mit großen Augen an.
»Englisch? Das ist nicht dein Ernst.« Jung konnte seine Verblüffung nicht verbergen. »Um ehrlich zu sein, kenne ich nur den schlechten Ruf der englischen Küche, die Küche selbst habe ich nie probiert. Ich war noch nie in meinem Leben in England, leider.«
»Siehst du, da haben wir es. Vorurteile, nichts als Vorurteile. Ich werde euch heute eines Besseren belehren, kannst es mir glauben, Jungi, altes Haus.«
»Schade, dass meine Frau nicht dabei sein kann. Für die wäre das auch etwas gewesen. Warum hast du unsere Weiber nicht miteingeladen, Immo? Groß genug ist dein Laden. Wir hätten auch selbst zahlen können.«
»Ach, Jungi, ich wollte, dass ihr euch wie damals fühlen könnt, und nicht eure Rollen vor den Muttis weiter spielen müsst. Das habt ihr doch zu Hause bis zum Überdruss, oder nicht? Außerdem wollte ich den alten Papas und Mamas nicht zu viel zumuten.«
Immo überraschte Jung zum wiederholten Mal mit Einsichten, die er aus seinem Mund nicht zu hören erwartet hatte.
»Wieso zumuten?«, fragte Jung. »Worauf hätten wir uns denn gefasst machen müssen, Immo?«
»Jungi, schau mich doch mal genau an, hä? Was würdet ihr dazu sagen, wenn ich euch einen Mann als meine Ehegattin oder Freundin vorstellen müsste? Mal ehrlich, die alten Spießer würden reihenweise die Münder aufreißen und nicht mehr weiter wissen, oder?«
Jung sah ihm in die Augen, und seine Verblüffung musste ihm deutlich ins Gesicht geschrieben stehen. Dass Immo schwul war, hatte er nicht gewusst, noch nicht einmal geahnt.
»Siehst du, sogar du, als Kriminaler mit Erfahrung, bist noch schockiert, hab ich recht?« Immo schlug ihm begütigend auf die Schulter.
»Ich bin überrascht, das ist wahr. Aber heutzutage ist Schwulsein doch kein besonderes Ding mehr, sondern eher schick und trendy?«
»Ja, ja, so seht ihr das gerne, ist aber nicht so. Ich gebe zu, dass es besser geworden ist. Vor Jahren hätte ich meinen Betrieb dichtmachen müssen, wenn ruchbar geworden wäre, dass der Laden einer Schwuchtel gehört, die wahrscheinlich auch noch AIDS hat.« Immo rückte das Messer eines Gedecks überaus korrekt in die richtige Position und korrigierte die Stellung der Weingläser.
»Ja, Immo, da haben wir etwas verpasst. Schade.« Jung hatte sich wieder gefangen.
»Wer weiß, Jungi, altes Haus. Denk an unseren plumpen Werner oder an den steifen Hansi. Höchstwahrscheinlich ist uns etwas erspart geblieben?« Sie lachten beide. Jung kam sich schlecht vor.
Jetzt kamen die anderen in Grüppchen dazu. Immo wies sie galant an ihre Sitzplätze. Er platzierte Jung an seine linke Seite. Als alle Platz genommen hatten, erhob er sich und klopfte mit der Gabel an sein Weinglas.
»Liebe Klassenkameraden. Nochmals herzlich Willkommen. Ich freue mich, so viele alte Gesichter wiederzusehen. Ihr habt euch überhaupt nicht verändert, selbst wenn ihr es nicht wahrhaben wollt.« Sie lachten unsicher. »Ich will nicht viele Worte machen, wir wollen ja einen unterhaltsamen Abend haben.« Wieder Lachen, diesmal lockerer. »Lasst uns in der neuen Penne über die alte Penne herzlich lachen und uns zusammen wie in alten Zeiten fühlen.« Beifälliges Klatschen von allen Seiten. »Dazu brauchen wir erst einmal was Gutes zu essen und zu trinken.« Beifall auf der ganzen Linie. »Ich stelle euch jetzt das Dinner vor und bin ziemlich sicher, dass ihr hinterher ein besseres Urteil über die englische Küche haben werdet, als eure Vorurteile es eigentlich zulassen.« Der ein oder andere Lacher, ansonsten gespanntes Schweigen.
»Wir stoßen an mit Pimm’s and Lemmonade«, fuhr Immo fort. »Dann werden wir eine Mulligatawny Soup haben, danach Steak, Ale and Pie, gefolgt von Roastbeef, Yorkshire Pudding mit Carrots in Gravy Port und das Ganze geht zu Ende mit Trifle Season Fruits, Coffee, Whiskey and Cigars. Lasst euch überraschen und guten Appetit.«
»Aber nicht Guinness dazu, bitte?« Joachim lachte und die anderen stimmten ein.
»Ich kann euch beruhigen. Ihr könnt wählen zwischen einem Chardonnay Jahrgang 2002 von den Black Swan Vineyards in Australien und einem Riesling von Adolf Müller aus der Pfalz. Zum Fleisch habe ich einen Shiraz Jahrgang 2001 von der Rosemount Estate,
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