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Pelte, Reinhard

Pelte, Reinhard

Titel: Pelte, Reinhard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inselbeichte
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verschieben, weil der Ofen immer noch nicht klar war. Udo war nicht wiederzuerkennen. Total nervös. Und als alles vorbei war, zog er sich zurück wie in ein Schneckenhaus. Er war völlig verändert.«
    »Hat er sich nicht wieder erholt?«
    »Nein. Kurz danach hat er auch seine Jungs nicht mehr ins Haus gelassen. Wir haben dann den anderen Trakt und das Nebenhaus für Sommergäste hergerichtet. Es ist immer schlimmer mit ihm geworden. Er arbeitet wie ein Berserker.«
    »Konnten Sie ihm mit Ihren Kochkünsten nicht auf die Beine helfen? Er muss doch ein Klotz sein, wenn er nicht merkt, wie gut Ihre Tajarin in der scharfen Sauce schmecken.«
    »Er trinkt ja auch keinen Wein. Was soll man da machen?«
    »Apropos Wein. Möchten Sie noch ein Glas?«
    »Ja, gern.« Sie reichte ihm ihr Glas, nahm einen großen Schluck und sah bewundernd auf die im Kerzenlicht funkelnde rubinrote Flüssigkeit. Auf einmal fing sie plötzlich laut an zu lachen. Jung schien ihr Lachen entgleist und unmotiviert.
    »Was gibt es?«, fragte er besorgt.
    »Sie wollten doch Döntjes von der Insel hören, nicht wahr?«
    »Ja, richtig. Und?«
    »Mir ist gerade einer eingefallen.«
    »Lassen Sie hören.«
    Sie nahm einen weiteren kräftigen Schluck und lehnte sich zurück.
    »Also: Einer Bauersfrau widerfährt ein großes Unglück, sie wird von einem Pferd totgeschlagen. Eine Woche später ruft der Pastor bei dem Witwer an und fragt: ›Haben Sie denn viele Beileidsbesuche gehabt?‹ ›Jo, Herr Pastor, ziemlich viele – aber weniger wegen meiner Frau: die meisten wollten das Pferd kaufen.‹
    Jung konnte nicht lachen, und das nicht nur, weil er den Witz schon kannte. Seine gute Stimmung war auf einmal dahin. Ihm war, als hätte sich ein Tuch über sie gebreitet, das alles Freundliche und Wohltuende unter sich erstickte. Er war ernstlich verstimmt.
    »Ich glaube, wir sollten langsam zum Ende kommen«, sagte er. »Ich hatte einen langen Tag. Und zuviel Wein bekommt mir nicht.«
    »Sie haben recht. Machen wir Schluss.« Greta Driefholt klang müde und resigniert. »Ich räume noch schnell auf. Dann geh ich rüber, zu mir nach Hause.«
    »Sie wohnen nicht in der Pastorei?«
    »Nein. Ich habe nur ein kleines Zimmer im Gästehaus. Wann wollen Sie frühstücken?«
    »Um 8 Uhr. Ist das zu früh?«
    »Nein, das geht in Ordnung.«
    »Vielleicht können Sie mir morgen noch das Dorf zeigen? Ich würde mich freuen.«
    »Ja, gerne. Wir sehen uns morgen. Gute Nacht.«
    »Gute Nacht. Und vielen Dank für das vorzügliche Essen.«
    »Gern geschehen. Schlafen Sie gut.«
    »Danke, ebenfalls.«
    Jung verließ die gute Stube durch die niedrige Tür und wechselte in die weiße Welt jenseits von Udos Einsiedelei mitsamt der freundlichen Haushälterin, der imposanten Küche und dem großen Kachelofen. Er ging nachdenklich die Treppe hinauf. Im Flur öffnete er die Tür zum Bach-Zimmer. Er wollte sehen, welcher Text dort hinter der Tür zum Klo hing. Er las:
     
    ›Befiehl Du Deine Wege / und was Dein Herze kränkt
    Der aller treusten Pflege / des, der den Himmel lenkt.
    Wer Wolken, Luft und Winden / gibt Wege, Lauf und Bahn,
    Der wird auch Wege finden, / da Dein Fuß gehen kann.‹
     
    Hatte Bach diesen Text vertont? Er konnte sich nicht daran erinnern.

Die Rückfahrt
    Jung machte sich bettfertig, löschte das Licht und sah aus dem Fenster. Vor der Pastorei brannte die einzige Laterne in der Straße. Obwohl es taute, lagen Straßen und Häuser noch immer unter einer hohen Schneedecke. Nach einer Weile sah er Greta Driefholt aus dem Haus kommen und die Straße hinunter in der Dunkelheit verschwinden. Sie trug einen dunklen Kapuzenmantel und hatte Stiefel übergezogen.
    Jung schlief unruhig. Sein Hirn arbeitete fieberhaft. Er zwang sich zu Denkpausen, indem er die Strophen an den Badezimmertüren rekapitulierte. Dann schlief er für eine Weile ein. Gegen Mitternacht erwachte er und stand auf. Er ging hinüber in den Pastorentrakt, die Treppe hinauf in den ersten Stock. Ihn fröstelte. Er versuchte die Zimmertüren zu öffnen. Sie waren alle verschlossen bis auf eine, die ins Badezimmer führte. Es war unbenutzt. Es gab keine Handtücher oder Toilettensachen. Das wunderte ihn nicht. Udo war auf Reisen. Jung öffnete den Spiegelschrank über dem Waschbecken. Ihm kam eine Parfümwolke entgegen, obwohl der Schrank lediglich eine Flasche Mundwasser und eine Medikamentenschachtel enthielt. Auf der Schachtel las er Tofranil. Er stellte das Medikament zurück und sah sich noch

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