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Pelte, Reinhard

Pelte, Reinhard

Titel: Pelte, Reinhard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inselbeichte
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einmal um. Die Birnen in den Leuchten über dem Waschbecken waren herausgeschraubt. Er ging zurück in sein Zimmer und schlief bis zum Morgengrauen, dabei träumte er sehr schlecht. Als er auf die Uhr sah, war es weit nach acht Uhr. Leise fluchend verschwand er im Bad und zog sich rasch an.
     
    *
     
    »Ich habe verschlafen. Sind Sie mir böse?«, entschuldigte er sich, als er in die Küche trat.
    »Guten Morgen. Macht gar nichts, wenn Sie nur gut geschlafen haben«, lachte Greta Driefholt. »Mögen Sie Kaffee oder Tee?«
    »Guten Morgen. Ich nehme Kaffee, wenn’s recht ist. Der macht mich sicherlich munter.«
    Sie wirkte fröhlich und sah ihn mitleidig an.
    »Das Frühstück ist nebenan angerichtet«, erklärte sie. »Gewöhnlich frühstücken die Gäste drüben. Ich will da nicht extra einheizen.«
    Sie hatte ein opulentes Frühstück aufgetragen. Jung roch frische Brötchen und geräucherten Lachs. Seine Lebensgeister regten sich.
    »Haben Sie schon gefrühstückt?«, fragte er sie.
    »Ja. Ich stehe früh auf, jogge eine Runde und frühstücke nach dem Duschen«, plauderte sie drauflos. »Meistens ein Müsli mit Joghurt, selten ein Knäckebrot mit Frischkäse. Danach trinke ich einen Vitamin-Mineraliencocktail. Dann bin ich für den Rest des Tages fit.« Sie sah ihn mit hochgezogenen Brauen und großen Augen an.
    »Ich komme mir schlecht vor, wenn ich das höre. Warum stellen Sie mir so verführerische Sächelchen auf den Tisch, zum Beispiel diese leckeren Marmeladen? Selbst gemacht, nicht wahr?«
    »Greifen Sie nur zu, und machen Sie sich nicht so viele Gedanken. Das verdirbt nur den Appetit«, erwiderte sie mit freundlicher Strenge. Jung folgte ihrem Rat und ließ es sich schmecken. Zwischendurch fragte er: »Welches Frühstück bereiten Sie für Udo, meines oder Ihres?«
    »Ich frage ihn. Oft frühstückt er gar nicht.«
    »Wird er nicht krank? Er arbeitet viel, wie Sie sagten.«
    »Ich kenne ihn überhaupt nicht krank. Er geht nie zum Arzt. Ich würde ihn gerne einmal hinschicken«, erwiderte sie aufmüpfig.
    »Beneidenswert, der gute Udo.« Jung dachte an die Packung Tofranil. Sie war rezeptpflichtig. Das hatte er auf der Packung gelesen. Er würde sich bei Endert erkundigen müssen, was es mit dem Medikament auf sich hatte. Greta Driefholt verschwand in der Küche, und Jung hörte sie in der Folgezeit emsig werkeln.
    Jung hatte sein Frühstück beendet und lehnte sich zufrieden zurück, als sie wieder in der Küchentür erschien.
    »Was darf ich Ihnen vom Dorf zeigen?«, fragte sie und sah ihn aufmunternd an.
    »Es interessiert mich, wo Udo arbeitet. Zeigen Sie mir seine Werkstätte? Vielleicht auch die Kirche?«
    »Okay. Ich räume schnell ab, und dann kann es losgehen. Haben Sie festes Schuhwerk?«
    Ja, das hatte er. Dieses Mal hatte er vorausgedacht. Dichter Nebel verschluckte das Tageslicht und tauchte die Straße vor der alten Pastorei in eine trübe Dämmrigkeit. Der Schnee lag noch immer hoch, obwohl es taute. Matsch bedeckte die Straßen und Gehsteige. Die Eiszapfen an den Dachtraufen waren abgeschmolzen. Die Löcher im Schnee vor dem Haus hatten sich bis zu den Rundlingen des Pflasters vertieft. Jung fröstelte. Greta Driefholt hatte die Kapuze ihres Mantels über den Kopf gezogen. Ihre Füße steckten in hohen Stiefeln. Sie schritt kräftig voran und schien guter Dinge.
    »Haben Sie etwas Schönes geträumt?«
    »Nein, nichts Angenehmes«, erwiderte er.
    »Wollen Sie mir Ihren Traum erzählen?«
    »Ach, ich weiß nicht. Das trübsinnige Wetter reicht mir eigentlich.«
    »Mich interessieren Träume. Erzählen Sie.«
    »Haben Sie in Stade Psychologie studiert? Als Profigastgeberin könnte das von Vorteil sein.«
    »Aber nein, wo denken Sie hin«, rief sie lachend. »Ich finde Träume nur spannend.«
    »Also gut. Ich träumte, dass meine Frau die Terrasse an unserem Haus mit Glassplittern zugeschüttet hatte. Als ich nichts ahnend aus der Tür trat, stand sie daneben, sagte kein Wort und ließ mich in die Scherben treten. Schluss. Ich wachte auf.«
    »Huch, das ist ja entsetzlich.«
    »Erschreckend, ja. Und Ihre Deutung?«
    »Ich kann traumhaft kochen, aber keine Träume deuten«, lachte sie erneut. Ihre Munterkeit ging Jung langsam auf die Nerven. Sie gingen nebeneinander her. Nach ein paar Ecken rief sie: »So, da sind wir!«
    Sie waren an einem niedrigen Gebäude angekommen. Ein paar wenige Stallfenster gingen auf die Straßenseite hinaus. Ein mächtiger Kaminabzug überragte das hohe Reetdach.

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