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Pelte, Reinhard

Pelte, Reinhard

Titel: Pelte, Reinhard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inselbeichte
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in die gute Stube.« Udo öffnete die Tür zum Kaminzimmer und winkte Jung freundlich hinein. Er kam nach wenigen Minuten zurück und setzte sich zu ihm auf die Eckbank. Er hatte sich umgezogen und trug einen schwarzen Rollkragenpullover über einer schwarzen Cordhose. Zusammen mit seinem wilden, eisgrauen Haarschopf verlieh ihm sein Aufzug eine ungeahnte Attraktivität. Daran änderte auch seine magere Gestalt und sein verhärmtes Gesicht nichts. Jung war beeindruckt.
    »Ich werde meine Haushälterin bitten, Tee für uns zu machen«, begann Udo. Er nahm ein Handy aus der Tasche und führte ein kurzes Telefongespräch.
    »Hast du jemanden gefunden, der deine Vorliebe für ruhige Plätze teilt?«, spottete Jung freundlich. Udo sah ihn aus dunklen Augen an.
    »Ja«, sagte er lapidar. Er beließ es dabei, stand auf und schaute unruhig aus dem Fenster.
    »Sie kommt. Ich mache ihr die Tür auf. Entschuldige mich.«
    Jungs Herz klopfte. Er ahnte, dass der nächste Augenblick über den Erfolg oder Misserfolg seiner Mission entscheiden konnte. Als Udo allein zurück kam, atmete Jung erleichtert auf.
    »Ihr müsst über Neujahr eine schwere Zeit auf der Insel gehabt haben«, nahm Jung das Gespräch wieder auf.
    »Schwer?« Udo zog die Augenbrauen hoch. »Ich weiß nicht. Selten, vielleicht. Aber ich mag außergewöhnliche Herausforderungen.«
    »Diese Vorliebe teilst du aber nur mit einigen waghalsigen Irren, Udo«, bemerkte Jung daraufhin.
    »Das ist nicht das Einzige, was mich von den vielen trennt.«
    »In der Kirche hatte ich einen anderen Eindruck. Deine Gemeinde steht hinter dir.«
    »Bist du dir da so sicher?« Udo verzog skeptisch die Mundwinkel.
    »Sie hörte dir jedenfalls gespannt zu. Das war auffällig.«
    »Ja, mag sein.« Udo klang desillusioniert, weit weg von Stolz und Eitelkeit.
    »Du predigst nicht von der Kanzel.«
    Udo sah ihm in die Augen, als hätte er dort etwas entdeckt, das er aufgegeben hatte, jemals zu Gesicht zu bekommen. Dann sagte er mit zweifelndem Unterton in der Stimme: »Die Kanzel verträgt keine schwachen Typen.«
    »Deine Gemeinde liebt dich. Das spürt man. Gibt dir das nicht Kraft? Bedeutet dir das gar nichts?«
    »Ich kenne meine Pappenheimer. Sie hören mich, aber sie handeln ganz anders als du denkst.« Eine Pause entstand.
    »Hat es dir eigentlich wehgetan, das Schneebrautpaar über einem Biertresen trauen zu müssen?«, lenkte Jung das Gespräch in seichtere Gewässer.
    Ein angedeutetes Lächeln huschte über Udos Gesicht. »Besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen. Dafür wird Gott Verständnis haben. Ich mag nur kein Bier.«
    »Aber Tee.« Greta Driefholt steckte den Kopf aus der Küchentür. »Ich habe gelauscht. Ist das sehr schlimm?« Sie lachte herzerfrischend.
    »Komm herein Greta. Darf ich dir einen alten Klassenkameraden vorstellen?«
    »Wir kennen uns bereits. Guten Tag, Herr Jung.«
    »Guten Tag.« Jung blieb einsilbig. Udo sah ihn ungläubig an.
    »Woher?«, fragte er mit einer Lebhaftigkeit, die neu an ihm war.
    »Ich war anfangs der Woche schon einmal hier, traf aber nur Frau Driefholt an.« Jung beeilte sich vor Greta Driefholt zu antworten. »Du warst mit deinen Konfirmanden unterwegs.«
    »Was habt ihr gemacht?«, fragte Udo irritiert. Er war aus seiner tiefen Reserve aufgescheucht worden. Jung fühlte, wie Angst und Wut hinter seiner Frage lauerten.
    Greta Driefholt musste das ebenfalls gespürt haben. Ihr war unheimlich. Sie redete kopflos drauflos. »Wir haben Tee getrunken und ich habe Herrn Jung ein wenig herumgeführt. Wir hatten eine nette Zeit zusammen.«
    »Herumgeführt? Wohin?«
    »Unter anderem in die alte Schmiede. Da hatten wir es allerdings weniger nett«, sagte sie enttäuscht. Sie redete, als müsse sie sich rechtfertigen.
    »Warum?«
    »In der Schmiede sah ich etwas, das mich an ein schlimmes Erlebnis erinnerte«, antwortete Jung rasch.
    Udos Fragerei klang inquisitorisch. Er beschwor eine lähmende Atmosphäre herauf. Sie legte sich Jung auf den Magen.
    »Ja, Herr Jung klappte fast zusammen«, beeilte sich Greta Driefholt hinzuzufügen. »Der Anblick der schmuddeligen Wimpel in der Ecke erinnerte ihn daran, dass seine Tochter bei einem Fahrradunfall beinahe ihr Leben verloren hätte. Entsetzliche Vorstellung.«
    Die Männer drehten die Köpfe zu ihr um. Udo sah ihr starr in die Augen. Eine Energie erfüllte plötzlich den Raum, als wäre eine stille Bombe explodiert.
    »Ich wollte nicht … Ich muss … Ich hole den Tee und lass die

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