Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
erfahren.«
Er vermeidet es, Gudrun anzusehen. Die füttert endlich Linus und
brabbelt laut in Babysprache auf das Tier ein. So, als könne die Kommunikation
mit dem Hund sie daran hindern, Unerquickliches aus Hans-Peters Mund zu
vernehmen.
»Hör mal, Herr Kellenhusen«, sage ich grob, »wir können dir hier
nicht helfen. Und bei neuen Nachrichten wird man dich im Hotel wohl eher
suchen. Also solltest du dich schleunigst dorthin begeben.«
»Erstens ist da die Rezeption nicht immer besetzt, nachts schon gar
nicht; da gibt es nicht mal einen Zimmerservice, zweitens haben die meine
Handynummer, und drittens ist Vinzenz hier besser versorgt.«
Viele Argumente sind immer schlechter als ein einziges Starkes, hat
mich Hans-Peter einst belehrt. Wie er überhaupt gern Lektionen erteilte: bei
der Lüge so nah wie möglich an der Wahrheit bleiben, ungefragt keine
Erklärungen abliefern und möglichen Peinlichkeiten vorausschauend mit einem
Ablenkungsmanöver begegnen. Letzteres fällt ihm wohl gerade ein. Er tritt an
Hein heran, der sich wieder über seinen Laptop gebeugt hat und so tut, als
ginge ihn in diesem Raum gar nichts mehr an.
»Ich müsste dringend meine E-Mails ansehen. Ich darf doch?« Er
lächelt verbindlich.
»Nein«, sagt Hein, ebenfalls lächelnd. »Im Fall eines Missbrauchs
durch unbefugte Dritte haftet der Eigentümer des Rechners.« Er klappt den
Laptop zu und sieht den Berliner Beinahejuristen so triumphierend an, dass ich
ihm einen Dämpfer verpasse.
In dieser verwahrlosten Küche sollte sich derzeit keiner der
Verursacher als Sieger sehen. Außerdem muss ich wissen, was aus dem Hanf
geworden ist. Nicht, dass mir wieder jemand etwas anhängt. Habe ich mir diese
Nähe von soeben nur eingebildet? Weil ich in der Tiefe meiner Seele doch nach
Menschenwärme suche? Werde ich jetzt etwa alt und sentimental? Sitzen hier
wirklich meine Freunde?
»Deine Trockenblumen sind verschwunden«, sage ich gedehnt. »Wann
hast du die denn weggeschafft? Und wohin?«
»O Gott, die habe ich ganz vergessen«, stottert er. »Wieso sind die
weg?«
»Wie kann man jetzt nur an Trockenblumen denken!«, ruft Gudrun
entnervt. Sie hat offenbar nicht erkannt, was für Gewächse Hein getrocknet hat,
und Hans-Peter hat ihr nichts verraten. Die beiden haben das Zeug also nicht weggeschafft.
»Das möchte ich auch gern wissen«, sage ich zu Hein. »Wer weiß
davon?«
»Trockenblumen?«, flüstert Jupp ratlos. Er, der Freund bunter
staubfangender Gestecke, der Einzige, der sich nach dem Moment des mir so
kostbar erscheinenden Einklangs nicht von der Stelle gerührt hat, sieht uns an,
als hätten wir den Verstand verloren. Hein schüttelt kaum merklich den Kopf und
sendet mir einen flehenden Blick zu. Das erklärt zumindest, weshalb er das
verbotene Gewächs weder in seinem Losheimer Gärtchen angepflanzt noch in dem
Stall, den sich Jumbo mit seinem Cabrio teilt, getrocknet hat. Sein Liebster
hat keine Ahnung. Aber wann raucht er das Zeug denn? Handelt er etwa damit? Ist
das seine neue Nebeneinnahmequelle, nachdem er als Eventmanager für die Kölner
Schwulenwelt das Handtuch geworfen hat? Immer wenn ich denke, jetzt endlich in
aller Ruhe das Eifeler Leben genießen und meine Restaurantvorbereitung
auskosten zu können, verdüstern dunkle Geheimnisse meiner Freunde alle
Aussichten, und vor mir tun sich Abgründe auf.
Wenn hier jeder wieder so mir nichts, dir nichts zur Tagesordnung
übergeht, mache ich eben mit. Ich hänge die Chefin raus.
»Was ist mit Jumbo?«, frage ich streng. »Der kann nicht ewig
hierbleiben.«
Jupps gestrige Bitte, das Pferd in seinen Stall zurückzubringen,
hatten die Polizisten abgelehnt; vielleicht befürchteten sie, dem gewaltigen
Tier könnten auch noch Flügel wachsen, mit denen es den des Muttermords
Verdächtigen über alle Eifeler Berge tragen würde. Also haben wir das Tier
kurzerhand in den leeren Kuhstall des alten Merteshofs gestellt. »Muss er nicht
endlich gefüttert werden? In unserem Schuppen gibt es nicht mal mehr einen
Strohhalm, an dem er kauen könnte.«
»Pferde fressen Heu«, belehrt mich Gudrun, »und altes Brot.« Sie
sammelt verschmierte und angebissene Brotreste vom Tisch und stopft sie
zusammen mit meinem letzten, zwar ziemlich ausgetrockneten, aber intakten
Brotlaib und ein paar Möhren in eine Plastiktüte und reicht sie Hein.
Mir knurrt der Magen. Ich hätte jetzt gern auf eine Scheibe in Milch
eingeweichtes und geröstetes Brot ein goldbraun gebratenes hauchdünnes
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