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Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Titel: Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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fahren.«
    Gudrun lässt das Tuch sinken.
    »Ihr wollt mich doch nicht schon wieder allein lassen!«, ruft sie
und klettert die Leiter hinunter. »Bitte, Katja, bleib hier! Du musst ja auch
noch mit Linus gehen.«
    Ich meide Marcels Blick.
    »Gut«, sage ich seufzend und löse meinen Autoschlüssel vom Bund,
»dann bring den Wagen eben heute Abend her.«
    Nur weil ich ihn heimfahre, muss ich die Nacht ja nicht unbedingt
wieder in einem breiten belgischen Doppelbett verbringen!
     
    Gudrun fragt nicht, was es Neues gibt, also muss ich ihr
auch nichts von der wieder aufgetauchten Ehefrau Hans-Peters erzählen. Darüber
möchte ich selbst erst mal in Ruhe nachdenken. Natürlich interessiert mich die
Frau brennend, und am liebsten wäre ich sofort ins Burghaus gefahren, um sie zu
sehen und mit ihr zu reden. Wir haben uns bestimmt eine Menge zu sagen. Aber
erstens habe ich momentan kein Auto, und zweitens muss so eine Begegnung
wohlüberlegt sein.
    Ich schnappe mir Linus und gehe mit ihm in den Wald. Wie Eiben
aussehen, weiß ich nicht, wohl aber, wo wir Mutter Agnes gefunden haben. Durch
die kahlen Fichtenstämme hindurch sehe ich schon aus der Ferne Jupp und Hein
nahe dem hohen buschähnlichen Baum. Linus springt mir voran auf die beiden
Männer zu. Als ich näher komme, sehe ich ein großes Gebinde aus
verschiedenfarbigen Rosen unter dem Baum mit den roten Beeren. Der Strauß aus
welken Astern und Chrysanthemen sieht daneben ziemlich mickrig aus.
    »Man hat ihren Körper freigegeben«, flüstert Jupp. »Wir werden sie
nächste Woche beerdigen. Aber für mich wird sie immer hier sein, an dieser
Stelle. Danke, Katja, dass du auch Blumen hingelegt hast.«
    Ich schüttele den Kopf und schäme mich, nicht daran gedacht zu
haben.
    »Der ist nicht von mir«, gestehe ich und deute auf den verwelkten
Strauß.
    »Hab ich Jupp gleich gesagt«, bemerkt Hein. Er beugt sich vor, um
die bunten Rosen besser zu ordnen, und lässt dabei einen hellrosa Streifen im
schwarzblauen Haar erkennen. »Deine Arrangements sind viel geschmackvoller und
angemessener, Katja.«
    »Darauf kommt es jetzt doch gar nicht an«, murmelt Jupp und legt den
Herbststrauß anders hin, was ihn auch nicht schöner aussehen lässt.
    »Doch, Jupp, auch und gerade jetzt«, belehrt ihn Hein mit sanfter
Stimme. »Es hilft, in extremen Situationen die Form zu wahren. Und wenn Katja
dir oder deiner Mutter etwas durch die Blumen hätte
sagen wollen, hätte das erheblich würdiger und liebevoller ausgesehen.«
    Trotz des Kompliments schaue ich Hein gar nicht würdig oder
liebevoll an. Ich habe mit ihm noch ein Hühnchen zu rupfen. Aber nicht an
diesem Ort.
    »Das also ist eine Eibe«, sage ich voller Ehrfurcht. Ich trete an
den Baum mit dem rötlichbraun geschuppten Stamm und den erbsengroßen roten
Beeren heran. Gerade will ich nach einem Ast greifen, um mir die weihnachtlich
grün glänzenden Nadeln genauer anzusehen, als mich Jupp von hinten umarmt und
wegzieht.
    »Nicht, Katja«, sagt er leise und drückt mich an sich. »Fass die
Nadeln nicht an!«
    »So giftig?«, frage ich erstaunt.
    »Kann sein«, murmelt Jupp.
    »Der Baum des Todes«, flüstere ich.
    »Du sagst es«, bemerkt Hein. »Die Römer bezeichneten die Eibe
tatsächlich als Totenbaum. Und Caesar berichtet von einem großen keltischen
Herrscher, der sich lieber durch Eibengift tötete, als sich zu unterwerfen. Wie
Jupps Mutter. Die wollte sich dem Verfall nicht länger unterwerfen. Das müssen
wir respektieren, Jupp!«
    »Es fällt so schwer«, stöhnt sein Freund. »Sie war doch noch da. Und
jetzt ist sie weg. Der Tod ist schrecklich endgültig, Hein. Ich fühle mich so
schuldig! Aber was sollte ich machen? Sie wollte in kein Krankenhaus; sie
wollte keine Fremden um sich haben, sie wollte uns nicht zur Last fallen, sie
wollte gar nichts. Jahrelang. Und dann wollte sie in den Wald.«
    »Du hast ihr einen großen Liebesdienst erwiesen«, sage ich mit
Tränen in den Augen. »Der größte war vielleicht, sie in der Stunde ihres Todes
allein zu lassen.«
    Jupp hebt die Lider und blickt seinen Freund aus rot geweinten Augen
an. Ich glaube zu verstehen.
    »Ihr habt sie beide hergerichtet, damit sie schön aussieht, wenn sie
gefunden wird?«
    »Nein!« Jupp starrt mich entgeistert an. »Ich war nicht da, als sie
starb.«
    »Ist das schlimm für dich?«, will ich wissen.
    Unendlich langsam schüttelt Jupp den Kopf.
    »Sag’s ihr«, fordert er Hein auf.
    Hein stößt geräuschvoll Luft aus.
    »Katja versteht das

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