Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
nicht als pummeliges Landei in meinem üblich vergammelten Kehr-Look tun.
Nach dem Haarewaschen stelle ich vor dem Spiegel fest, dass der
graue Streifen in meinem mausfarbenen Haar immer breiter wird. Kastanienbraun
würde mir auch stehen. Obschon sich mein sprödes Haupthaar nie so gefällig
locken wird wie das von Hans-Peters Frau. Witwe. Ich sollte mich von Hein
beraten lassen.
Den Gedanken, meine Rundungen unter figurschmeichelndem Schwarz so
gut wie möglich zu verbergen, verwerfe ich schnell. Könnte als Trauerkleidung
ausgelegt werden, und das wäre in meinem Fall wohl geschmacklos. Ich entscheide
mich also für einen wadenlangen engen grauen Rock, in dem ich kaum laufen kann.
Erst als ich meine lange rote Seidenbluse übergestreift habe und in meine
grauen High Heels geschlüpft bin, fällt mir auf, wie sehr ich mich Marcel
farblich angepasst habe.
»Was für eine Metamorphose!«, erklärt Marcel anerkennend, als ich
mich ihm vor der Einkehr präsentiere.
»Aufgebrezelt gefalle ich dir also besser?«, frage ich.
Er schüttelt den Kopf. »Aufgebrezelt gefällst du mir auch«, sagt er,
»kannst du in dem Rock und mit den Schuhen überhaupt gehen?«
»Siehst du ja«, sage ich und trippele ihm im Laufstegstil zu meinem
Auto voran.
Ausnahmsweise ist die Rezeption im Burghaus besetzt. Dirk
Peters begrüßt uns herzlich. Er ist sichtlich erfreut, dass ich trotz der
schauerlichen Erfahrung vom Vortag sein Etablissement wieder aufsuche, und
verspricht mir abermals kulinarische Köstlichkeiten. Ich stelle Marcel als
einen Freund aus Belgien vor. Aber die Herren kennen sich bereits. Die DG ist
offensichtlich ein zwischenmenschlich sehr überschaubares Gebiet.
Ich lege viel Anteilnahme in meine Stimme, als ich nach Frau von
Krump-Kellenhusen frage.
»Die Dame hat sich in ihr Zimmer zurückgezogen«, sagt Peters und
setzt hastig hinzu: »Selbstverständlich haben wir ihr ein anderes Zimmer,
nämlich die Adenauer-Suite, zur Verfügung gestellt.«
Nein, sie wolle niemanden sehen, darum habe sie ausdrücklich
gebeten. Aber er könne ja mal nachfragen, ob sie für mich, ihre alte Freundin –
als solche hatte ich mich ausgegeben –, nicht eine Ausnahme machen wolle.
»Ja, machen Sie das«, bitte ich. Mehr als Nein sagen kann die Frau
schließlich nicht, aber Marcel schüttelt den Kopf. »Später«, sagt er schnell,
»wir möchten erst etwas essen.«
Im kleinen Gastraum sind wir allein.
»Warum hast du eben abgelehnt?«, frage ich ihn.
»Ich habe meine Gründe«, antwortet er.
»Darf ich die erfahren, oder behindert das den Gang der
Ermittlungen?«
»Dirk Peters wird ihr bestimmt sagen, dass wir hier sind«, erklärt
Marcel, »dann kann sie selbst entscheiden, ob sie runterkommen und uns sehen
möchte. Ist viel unverfänglicher so.«
»Du sprachst von Gründen . Da gibt es noch
mehr?«
Eine hübsche blonde Kellnerin legt uns die Speisekarten hin und
fragt in schwäbischem Tonfall, ob wir einen Aperitif wünschen. Marcel schüttelt
den Kopf, zieht seine Zigarilloschachtel hervor und bemerkt: »Den nehme ich
draußen in dieser Form zu mir. Und ich esse den Hirsch. Der ist mir sehr
empfohlen worden.«
»Ich habe mich noch nicht entschieden«, sage ich und mustere Marcel
verärgert.
»Vor dem Essen rauchen?«, frage ich ungläubig, als die Kellnerin
wieder verschwunden ist. »Seit wann bist du so süchtig?«
»Seit gerade«, erwidert er. »Such du dir in aller Ruhe was aus. So
ein Zigarillo dauert.«
Und damit verschwindet er und lässt mich allein.
Ich versuche, meinen Ärger über dieses schlechte Benehmen mit der
Lektüre der Speisekarte zu verdrängen. Als mir eine Viertelstunde später das
Wurzelschaumsüppchen mit geräucherter Gänsebrust und Kartoffelstrohhaube vorgesetzt
wird, beginne ich auch fast zu rauchen. Aus Zorn. Was fällt dem Kerl ein, mich
groß zum Essen einzuladen und mich dann meinen zurzeit nicht sehr fröhlichen
Gedanken zu überlassen?
Sehr bemüht, vor Wut nicht zu schnauben, stehe ich auf, fluche dann
über den engen Rock, der mich beim Gehen stark einschränkt, und trippele an der
unbesetzten Rezeption im kleinen Flur vorbei. Ich blicke aus der Tür des Schlosshotels.
Marcel steht nicht rauchend neben dem großen Aschenbecher. Er kommt mir aus der
weit entfernten Toreinfahrt des Burghauses entgegen. Aus den Augenwinkeln sehe
ich eine große sehr schlanke Frau um die Ecke verschwinden. Registriere
nachträglich das lange kastanienbraune Haar, das sich vom
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