Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
Restaurant gewesen. Und hat mir Kräuter aus
ihrem Garten gebracht.
»Anth jüngthte Gericht«, gebe ich zurück. »Ich weith nicht mehr,
wath eth war.«
Wieder das viel zu laute Lachen. Ich sehe Tränen in Coras Augen. Mit
der Hand wischt sie sich übers Gesicht. Der Igelpunkt rutscht zur Seite. Das
muss ich ihr sagen. Damit die Ordnung wiederhergestellt ist. Aber ich finde die
Worte nicht. Nach einigen Versuchen gehorcht mir mein Arm und hebt sich. Ich
will mit dem Finger ihre Nase berühren, treffe sie aber nicht.
»Da …«, sage ich hilflos und versuche, mir an die eigene Nase zu
fassen, greife aber daneben.
»Oh«, sagt sie und rückt den Punkt wieder dahin, wo er hingehört.
»Das jüngste Gericht also. Das kann nur Crème brûlée sein, Katja.«
Ich denke nach. Fader Karamellpudding mit Kruste?
»Nee, patht nich, ith thu langweilig.«
»Nicht, wenn du sie machst«, antwortet Cora. »Schau her, Katja, das
ist doch ein Vorschlag: Crème brûlée mit aparten Ergänzungen. Zum Beispiel mit
diesen.«
Direkt unter dem Nadelbaum, da, wo es selbst für den Farn zum
Wachsen zu dunkel ist, breitet sie eine weiße Serviette aus, öffnet ihren
Hanfsack und lässt ein paar wunderschön glänzende rote Beeren darauf kullern.
»Rote Waldbeeren würden die Creme doch prima anreichern, meinst du
nicht? Und vielleicht ein paar kross geröstete Rosmarinnadeln für die herbere
Note?«
Sie schüttet den Hanfsack aus. Ein kleiner Nadelregen fällt auf das
Tuch. Wie Puderzucker lassen sich ein paar weiße Blütenpollen darauf nieder und
verschwinden zwischen den Nadeln.
»Dathu kandierter Wiethenkerbel«, kombiniere ich laut, »dath itht
eth.«
»Ja, das ist es«, wiederholt sie. »Probier doch mal, ob die Beeren
zu dem Rosmarin passen.«
»Wird thon pathen«, sage ich, weil ich zu faul bin, mich zu bewegen.
»Iss!«, schreit sie mich an.
Ich bin sehr erschrocken. Warum brüllt sie? Warum macht sie die
Stimmung kaputt? Eben war sie doch noch freundlich. Iss! Genauso hat mich früher meine Mutter angeschrien, wenn ich meinen Teller nicht
leer gegessen hatte. Erst als alles verputzt war, wurde sie wieder lieb. Cora
soll wieder lieb sein.
Gehorsam greife ich nach einer Beere.
»Alles zusammen!«
Sie kauert ganz dicht neben mir und balanciert ein Häuflein Waldbeeren
und Rosmarin auf der offenen Hand. Vor meinem Mund. Ich muss mich gar nicht
bewegen, kann ihr direkt aus der Hand essen.
Was soll’s, den Karamellpudding werde ich mir dazudenken. Ich beuge
den Kopf, wundere mich noch über den fehlenden Geruch der Rosmarinnadeln, als
mir plötzlich irgendetwas Massives gegen den Rücken prallt. Ich falle Cora
entgegen und halte mir die Ohren zu. Lautes Bellen kann ich jetzt überhaupt
nicht vertragen.
»Linus!«
Das ist doch Marcels Stimme. Mühsam wende ich den Kopf. Wo kommt der
Kerl so plötzlich her? Von der Jagd? Sieht ganz so aus; er hat ein Fell in der
Hand. Was für ein seltsames rotbraunes Tier hat er denn erlegt? Und warum fällt
Josef über Cora her – warte, wenn ich das seiner Maria erzähle!
Dann schlingen sich Arme um mich. Die fühlen sich gut an, vertraut
und richtig. In der plötzlich ausgebrochenen Hektik fühle ich mich geborgen.
Wenn die Leute um mich herum nur nicht so schreien würden! Coras Stimme ist entsetzlich
schrill geworden, Josefs klingt wie böses Donnern. Wenn sie mich doch nur in
Ruhe einschlafen lassen würden. Und bitte das Licht ausmachen.
»Katja! Alles in Ordnung?«
Marcels Stimme überschlägt sich. Das Echo in meinem Kopf ist
unerträglich. Er schüttelt mich so, dass eine ganze Lawine von Rumpelsteinen in
meinem Körper abzugehen scheint. Dreht er jetzt etwa auch durch?
»Mach nich tho viel Wind!«, sage ich, will mich an ihn schmiegen und
nur zärtlich lieb gehabt werden. Aber daraus wird nichts.
Er hält mich von sich ab und mustert mich aus eiskalten Augen wie
ein fremdes Wesen von einem anderen Stern.
»Katja! Hast du was gegessen?«
»Leider noch nich«, murmele ich, enttäuscht, dass er mir seine
Körperwärme entzieht. »Linuth war böthe. Er hat mich gethtört, da ith alleth
runtergefallen.«
Wie immer, wenn sein Name fällt, beginnt der Hund glücklich zu
bellen. Marcel hält ihn mit einer Hand auf Abstand.
»Wach auf, Katja! Verdammt, wach auf!«
Er schlägt mir ins Gesicht. Ich breche in Tränen aus. Alles hätte
ich von diesem Mann erwartet, aber nie, dass er mich misshandelt. Wie man sich
doch in den Menschen täuschen kann! Schon wieder! Was haben
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