Pendergast 01 - Relic - Museum der Angst
sich an, wie oft hier ›möglicherweise‹ steht. Dies ist bestenfalls eine hypothetische Beschreibung.«
»Dennoch«, entgegnete Margo, »dürfte die Kreatur ziemlich stark der Mbwun-Figur in der Ausstellung ähneln.«
»Zweifelsohne, Margo. Aber ich möchte Ihr Augenmerk speziell auf die Größe des Gehirns richten.«
»Neunhundert bis zwölfhundert Kubikzentimeter«, sagte Margo, die sich inzwischen den Ausdruck aus dem Drucker geholt hatte. »Das ist ziemlich viel, nicht wahr?«
»Viel? Das ist unglaublich. Das ist die äußerste Grenze, sogar beim Menschen. Dieses Geschöpf, was immer es auch sein mag, scheint die Kraft eines Grizzlybären, die Schnelligkeit eines Windhunds und die Intelligenz eines Menschen zu besitzen. Ich sage bewußt
scheint,
denn vieles in der Liste sind Vermutungen seitens des Programms. Aber wenn man all die Eigenschaften zusammennimmt –
Er tippte mit dem Zeigefinger auf die Liste.
»Nachtaktiv. Außenliegende, schleimige Nasendrüsen – das heißt, daß es eine ›feuchte Nase‹ hat, wie Tiere mit einem ausgeprägten Geruchssinn. Stark eingerollte Ohrmuscheln – auch das deutet auf ein Lebewesen mit hochentwickelten Riechorganen hin. Unterentwickeltes Chiasma opticum – das ist der Teil des Gehirns, der die Informationen aus den Augen verarbeitet. Wir haben es hier offensichtlich mit einem Geschöpf mit sehr gutem Geruchssinn und recht schlechtem Augenlicht zu tun, das hauptsächlich nachts jagt.«
Frock dachte einen Augenblick lang mit zusammengezogenen Augenbrauen nach.
»Margo, das macht mir angst.«
»Wenn diese Daten stimmen, dann macht mir allein schon der
Gedanke
an diese Kreatur angst«, antwortete Margo. Wenn Sie daran dachte, daß sie die Fasern in der Hand gehabt hatte und vielleicht noch ihren Geruch an sich trug, überlief sie ein kalter Schauder.
»Nein, ich meine etwas anderes, nämlich diese Anhäufung von riechspezifischen Eigenschaften«, sagte Dr. Frock. »Wenn man der Hochrechnung des Programms vertrauen kann, dann lebt die Kreatur von ihrem Geruchssinn, jagt mit ihrem Geruchssinn und
denkt
vielleicht sogar mit ihrem Geruchssinn. Ich habe schon oft gehört, daß es für Hunde eine ganze Landschaft von Gerüchen geben soll, die ebenso vielfältig und schön sein muß wie die Landschaft, die wir mit unseren Augen sehen. Aber der Geruchssinn ist primitiver als der Gesichtssinn, und darum zeigen solche Tiere auch eine stark instinktbestimmte, primitive Reaktion auf Gerüche.
Das
ist es, was mir angst macht.«
»Ich verstehe nicht ganz, was Sie meinen.«
»In wenigen Minuten werden Tausende von Menschen hier im Museum eintreffen und auf relativ engem Raum beieinanderstehen. Die Kreatur wird die konzentrierten Ausdünstungen all dieser Leute riechen, und das könnte sie leicht reizen oder sogar wütend machen.«
Im Labor war es eine Weile still.
Dann sagte Margo: »Dr. Frock, Sie haben doch eben selbst gesagt, daß seit dem Einschließen der Kisten und dem ersten Mord ein paar Tage vergingen. Von da an bis zum zweiten Mord verging ein weiterer Tag. Dieser ist nun drei Tage her.«
»Und? Fahren Sie fort«, sagte Frock.
»Es kommt mir so vor, als müßte die Kreatur mittlerweile völlig ausgehungert sein. Der Effekt, den die Hormone auf sie haben, was immer er auch sein mag, muß längst verflogen sein. Schließlich sind die Hormone aus dem menschlichen Gehirn mengenmäßig nur ein unzulänglicher Ersatz für die viel konzentrierteren in den Pflanzenfasern. Wenn Sie recht haben, dann muß die Kreatur in etwa einem Drogensüchtigen gleichen, der unbedingt seinen nächsten Schuß braucht. Bei all den Polizeiaktivitäten hat sie sich verkrochen, aber die Frage ist doch, wie lange sie das noch aushalten kann.«
»Mein Gott«, sagte Frock. »Es ist schon sieben Uhr. Wir müssen die Leute warnen, Margo, wir müssen diese Eröffnungsparty sofort abblasen. Wenn sie stattfindet, wäre es genauso, als würde man der Kreatur den Gong zum Essen schlagen.« Er fuhr zur Tür und bedeutete Margo, ihm zu folgen.
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TEIL DREI Der auf allen vieren geht
42
K urz vor sieben Uhr bildete sich vor dem Westeingang des Museums ein wahres Knäuel von Taxen und Limousinen, deren elegant gekleidete Fahrgäste rasch ausstiegen. Die Männer in ihren Smokings sahen alle ziemlich gleich aus, aber die Frauen trugen die unterschiedlichsten Pelze zur Schau. Unter vom Wind gebeutelten Schirmen eilten sie auf dem roten Teppich die Treppe hinauf und versuchten sich, so gut es
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