Pendergast 01 - Relic - Museum der Angst
die anderen zum Weitergehen aufforderte.
Plötzlich ging das Licht wieder aus, und der Journalist blieb wie angewurzelt stehen.
»Wir sind jetzt an der gegenüberliegenden Wand«, hörte er D’Agosta zu ihm in der Dunkelheit sagen. »Es gibt hier zwei Gänge. Einer führt nach oben, einer nach unten. Wir nehmen den, der nach oben führt.«
D’Agosta knipste das Feuerzeug wieder an und ging weiter nach vorn, und Smithback folgte ihm. Nach ein paar Augenblicken verflüchtigte sich der Gestank, und der Boden wurde feucht und weich. Smithback spürte den Hauch eines kühlen Luftzugs an seiner Wange und hoffte inständig, daß er ihn sich nicht bloß einbildete.
»Gott im Himmel, das fühlt sich aber gut an«, sagte D’Agosta mit einem Lachen.
Der Stollen führte so lange nach oben, bis er an einer weiteren Leiter endete. D’Agosta trat an sie heran und hielt das Feuerzeug in die Höhe. Smithback, der ihm rasch gefolgt war, sog die frische Luft in seine Lungen. Von oben kam plötzlich ein surrendes Geräusch, dann ein kurzes Klappern, gefolgt von einem Schwall Wasser.
»Ein Kanaldeckel!« rief D’Agosta. »Wir haben es geschafft, verdammt noch mal, ich kann es kaum glauben. Wir haben es geschafft!«
Er kletterte die Leiter hinauf und drückte sich mit dem Rücken gegen den runden Deckel.
»Festgeschraubt«, stöhnte er. »Nicht mal zwanzig Männer könnten den hochheben. – Hilfe!« schrie er dann nach draußen, wobei er seinen Mund direkt an eines der Löcher in dem Deckel hielt. »Hört mich jemand? Wir brauchen Hilfe, verdammt noch mal!« Dann fing er an zu lachen, mußte sich an der Leiter festhalten und ließ dabei das Feuerzeug fallen. Auch Smithback sank unten im Gang zu Boden, lachte und weinte zugleich und schien völlig die Kontrolle über sich verloren zu haben.
»Wir haben es geschafft, Smithback«, sagte D’Agosta noch immer lachend und kletterte die Leiter wieder hinunter. »Na los, geben Sie mir einen Kuß, Sie verdammter Journalist, ich liebe Sie und hoffe, daß Sie mit dieser Story mindestens eine Million Mäuse machen.«
Smithback hörte eine Stimme, die oben auf der Straße fragte:
»Hast du auch gerade jemanden rufen gehört?«
»Hey, Sie da oben!« brüllte D’Agosta hinauf. »Wollen Sie sich eine Belohnung verdienen?«
»Da, hör doch! Da ist ja
wirklich
jemand unten. Hallo!«
»Haben Sie mich gehört? Holen Sie uns hier raus!«
»Wieviel kriege ich dafür?«
»Zwanzig Mäuse! Rufen Sie die Feuerwehr an, sie soll uns sofort heraufholen.«
»Fünfzig Mäuse, Mann, oder wir gehen einfach weiter.«
D’Agosta konnte nicht zu lachen aufhören. »Na schön, fünfzig. Aber jetzt schwingen Sie die Hufe, verdammt noch mal!«
Er drehte sich um und öffnete die Arme. »Smithback, holen Sie die Leute nach vorn. Leute, Bürgermeister Harper, herzlich willkommen in New York City!«
Abermals wurde am Türknauf gerüttelt. Garcia preßte den Gewehrkolben leise weinend fest an seine Wange. Das Monster versuchte schon wieder hereinzukommen. Garcia atmete tief durch und bemühte sich, den Lauf der Schrotflinte ruhig zu halten.
Dann fiel ihm plötzlich auf, daß sich das Rütteln am Türknauf in ein Klopfen verwandelt hatte.
Es klopfte noch einmal, diesmal lauter, und Garcia hörte eine gedämpfte Stimme.
»Ist jemand da drinnen?«
»Wer ist da?« fragte Garcia schwerfällig.
»Special Agent Pendergast vom FBI aus New Orleans.«
Garcia konnte es kaum fassen. Als er die Tür öffnete, sah er einen großen, dünnen Mann mit gespenstisch weißem Haar, der ihn aus dem dunklen Gang freundlich anlächelte. In einer Hand hielt er eine Taschenlampe, in der anderen einen großkalibrigen Revolver. Blut rann ihm an der Seite seines Gesichts nach unten und bildete auf seinem Hemd verrückte Muster, die ein wenig an die Zufallsklecksereien eines Rorschach-Tests erinnerten. Neben ihm stand eine kleine, junge Frau mit mausbraunen Haaren, die auf dem Kopf einen gelben Helm mit einer Grubenlampe trug. Ihr Gesicht, ihr Haar und ihre Schultern waren voller dunkler, nasser Flecken.
Pendergast lächelte und sagte lediglich: »Wir haben es geschafft.«
Erst Pendergasts Grinsen machte es Garcia klar, daß das Blut, das an den beiden klebte, nicht von ihnen stammen konnte. »Wie denn?« stammelte er.
Die beiden schoben sich an ihm vorbei in den Raum, wo die anderen nebeneinander unter dem dunklen Diagramm des Sicherheitssystems an der Wand standen. Auch sie starrten die Besucher ungläubig und noch
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