Pendergast 01 - Relic - Museum der Angst
Und wenn er dann endlich das tat, was man von ihm wollte, begann er zu schwätzen, und es war schwierig, ihn zum Schweigen zu bringen. Normalerweise hätte Margo ihm nur ein Anforderungsformular zukommen lassen und sich selber die Mühe des Suchens erspart, aber sie mußte für das nächste Kapitel ihrer Dissertation so schnell wie möglich die Kiribitu-Pflanzen untersuchen. Die Arbeit für Moriarty war noch immer nicht fertig, und außerdem hatte sie Gerüchte über einen weiteren schrecklichen Mord gehört, der möglicherweise dazu führen würde, daß das Museum für den Rest des Tages geschlossen wurde.
Bailey Smith summte vor sich hin und schien sie gar nicht wahrzunehmen.
»Mr. Smith!« rief Margo. »Ich brauche diese Pflanzen, bitte.« Sie legte eine Liste vor ihn auf den Tisch. »Und zwar gleich, sofern das möglich ist.«
Smith knurrte, erhob sich von seinem Stuhl und nahm mit langsamen Bewegungen die Liste, die er mißmutig überflog.
»Könnte eine Weile dauern, bis ich das Zeug finde. Wie wär’s mit morgen vormittag?«
»Bitte, Mr. Smith. Ich habe gehört, daß sie jeden Moment das Museum schließen können. Ich brauche diese Pflanzen wirklich dringend.«
Der alte Mann, der eine Chance auf etwas Tratsch witterte, wurde etwas freundlicher. »Schreckliche Geschichte«, sagte er und schüttelte den Kopf. »In meinen zweiundvierzig Jahren hier habe ich etwas Derartiges noch nicht erlebt. Aber ich kann nicht sagen, daß es mich überrascht«, fügte er mit einem bedeutungsvollen Nicken hinzu.
Margo wollte nicht, daß Smith ins Reden kam, und sagte deshalb nichts.
»Aber das sind nicht die ersten Morde hier im Museum, was ich so mitbekommen habe. Und es werden auch nicht die letzten sein.« Er drehte sich mit der Liste um und hielt sie sich direkt unter die Nase. »Was ist denn das?
Muhlenbergia dunbarii?
So was haben wir nicht.«
Dann hörte Margo eine Stimme hinter sich.
»Nicht die ersten? Was meinen Sie damit?«
Es war Gregory Kawakita, der junge Assistenzkurator, der sie am vergangenen Vormittag in den Aufenthaltsraum begleitet hatte. Margo hatte den Lebenslauf von Kawakita im Jahresbericht des Museums gelesen: Als Sohn reicher Eltern war er in jungen Jahren zum Waisen geworden und hatte seine Heimat Yokohama verlassen, um bei Verwandten in England aufzuwachsen. Nachdem er auf dem Magdalene College in Oxford studiert hatte, ging er nach Amerika aufs Massachusetts Institute of Technology, um seinen Doktor zu machen, und kam dann ans Museum, wo er die Stelle als Assistenzkurator bekam. Er war Frocks brillantester Protegé, was Margo ihm manchmal neidete. Aber für Margo paßte Kawakita eigentlich gar nicht zu Frock. Kawakita hatte ein instinktives Gefühl für Museumspolitik, und Frock war ein Außenseiter, ein Nestbeschmutzer. Trotz seiner Introvertiertheit war Kawakita zweifellos ein brillanter Wissenschaftler, der für Frock an einem Modell für genetische Mutation arbeitete, das außer den beiden niemand sonst völlig zu verstehen schien. Unter Frocks Führung entwickelte Kawakita einen Extrapolator, ein Computerprogramm, das den genetischen Code verschiedener Gattungen miteinander vergleichen und kombinieren konnte. Wenn die beiden ihre Daten auf dem Rechner des Museums laufen ließen, sank dessen Rechenleistung so dramatisch, daß manche spöttisch meinten, er laufe nur noch im »Taschenrechner-Modus«.
»Nicht die ersten was?« fragte Smith und sah Kawakita mit einem nicht gerade einladenden Gesichtsausdruck an.
Margo warf Kawakita einen warnenden Blick zu, aber der fuhr fort: »Sie sagten etwas davon, daß das nicht die ersten Morde hier waren.«
»Mußten Sie das tun, Greg?« stöhnte Margo mit leiser Stimme.
»Jetzt werde ich meine Pflanzen niemals kriegen.«
»Nein, das alles überrascht mich nicht«, fing Smith an. »Ich bin nun wirklich nicht abergläubisch«, fuhr er fort und lehnte sich an die Theke, »aber das ist nicht das erste Mal, daß eine Kreatur in diesem Museum herumschleicht. Zumindest sagt man so. Nicht, daß ich ein Wort davon glaube, natürlich nicht.«
»Eine Kreatur?« fragte Kawakita.
Margo trat ihm leicht gegen das Schienbein.
»Ich habe nur das wiederholt, was alle Leute sagen, Mr. Kawakita. Ich halte nichts davon, falsche Gerüchte in die Welt zu setzen.«
»Natürlich nicht«, sagte Kawakita und zwinkerte Margo zu. Smith starrte Kawakita mit einem schicksalsschwangeren Blick an. »Man sagt, daß das Monster schon lange Zeit im Keller des Museums
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