Pendergast 01 - Relic - Museum der Angst
nur wenig Zeit. Ich hoffe, wir können es kurz machen.«
Pendergast legte das offene Buch vorsichtig vor sich auf den Tisch.
»Ich habe mir schon oft gedacht, daß die frühen, klassizistischen Arbeiten von Piranesi das Beste sind, was er je gemacht hat. Finden Sie nicht auch?«
Wright sah ihn vollkommen entgeistert an. »Ich verstehe nicht ganz«, stammelte er. »Was hat das damit zu tun, daß –«
»Seine späteren Werke sind natürlich auch interessant, aber für meinen Geschmack etwas zu phantastisch«, antwortete Pendergast.
»Also eigentlich«, sagte der Direktor in seiner besten Vortragsstimme, »dachte ich immer –«
Das Buch wurde so heftig zugeschlagen, daß es knallte wie ein Pistolenschuß. »
Eigentlich,
Dr. Wright«, sagte Pendergast scharf, und all seine Höflichkeit war mit einem Mal verschwunden, »ist es an der Zeit, daß Sie endlich einmal vergessen, was Sie
immer
gedacht haben. Wir werden nun miteinander ein kleines Spiel spielen. Ich werde reden, und Sie werden zuhören. Haben Sie mich verstanden?«
Wright saß sprachlos da. Dann bekam sein Gesicht vor Ärger rote Flecken. »So lasse ich nicht mit mir umspringen, Mr. Pendergast –«
Pendergast schnitt ihm das Wort ab. »Für den Fall, daß Sie die Schlagzeilen noch nicht gelesen haben, Dr. Wright, es hat in den vergangenen achtundvierzig Stunden hier drei schreckliche Morde gegeben.
Drei.
In der Presse wird spekuliert, daß dafür eine Art wildes Tier verantwortlich ist. Seit dem Wochenende sind die Besucherzahlen Ihres Museums um fünfzig Prozent gesunken. Ihre Angestellten sind
sehr
beunruhigt, um es milde auszudrücken. Haben Sie heute schon mal einen Spaziergang durch Ihr Museum gemacht, Dr. Wright? Das sollten Sie vielleicht tun, Sie würden ihn als recht aufschlußreich empfinden. Man kann das allgemeine Gefühl der Angst hier praktisch mit Händen greifen. Die meisten Ihrer Angestellten verlassen ihre Büros, wenn überhaupt, nur zu zweit oder zu dritt. Und dem Wartungspersonal ist jede Ausrede recht, um nur ja nicht hinunter in die alten Keller zu müssen. Dennoch ziehen Sie es vor, so zu tun, als wäre alles in bester Ordnung. Aber glauben Sie mir, Dr. Wright, hier ist etwas ganz und gar nicht mehr in Ordnung.«
Pendergast beugte sich vor und faltete langsam die Arme über dem Buch. In seiner bedächtigen Art und in seinen kalten, blassen Augen lag etwas so Bedrohliches, daß der Direktor instinktiv auf seinem Stuhl nach hinten rutschte. D’Agosta hielt unwillkürlich den Atem an. Dann fuhr Pendergast fort.
»Wir haben drei Möglichkeiten, mit der Sache umzugehen«, sagte er. »Ihren Weg, meinen Weg und den Weg des FBI . Bisher stand Ihr Weg viel zu sehr im Vordergrund. Meines Wissens wurden die polizeilichen Ermittlungen unter der Hand sogar behindert. Rückrufe Ihrerseits erfolgen zum Beispiel viel zu spät, wenn überhaupt. Ihre Leute sind entweder beschäftigt oder unauffindbar. Und die, die verfügbar
waren,
wie zum Beispiel Mr. Ippolito, haben sich nicht gerade als besonders hilfreich erwiesen. Die Leute kommen praktisch zu jeder Verabredung zu spät. So ein Verhalten hätte jeden mißtrauisch gemacht. Ihr Weg ist nicht länger akzeptabel.«
Pendergast wartete auf eine Antwort. Als keine kam, fuhr er fort.
»Ich habe als Bevollmächtigter des FBI die Leitung dieser Untersuchung übernommen. Normalerweise würde das FBI das Museum schließen, alle Aktivitäten stoppen und sämtliche geplanten Ausstellungen absagen. Das wäre für Sie ausgesprochen schlechte Publicity, wie Sie sich sicherlich vorstellen können. Und sehr teuer für die Steuerzahler und für Sie.
Mein
Weg hingegen ist ein etwas menschenfreundlicherer. Wenn sich die Lage nicht gravierend ändert, kann das Museum zunächst einmal geöffnet bleiben. Allerdings muß ich das an gewisse Bedingungen knüpfen. Nummer eins: Sie müssen für die totale und uneingeschränkte Kooperation des Museumspersonals mit unseren Leuten sorgen. Von Zeit zu Zeit werden wir etwas mit Ihnen und Ihren leitenden Angestellten abzuklären haben, dabei verlange ich Ihre volle Unterstützung. Außerdem brauche ich eine Liste Ihres gesamten Personals. Wir müssen alle verhören, die in der Nähe der Tatorte arbeiten oder sich öfter dort aufhalten. Es wird keine Ausnahmen geben, und ich möchte, daß Sie persönlich dafür sorgen, daß wir mit allen diesen Leuten sprechen können. Wir werden einen genauen Plan aufstellen, und
alle
müssen pünktlich zur Befragung
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