Pendergast 01 - Relic - Museum der Angst
denn?« fragte D’Agosta. »Sie haben gerade die Fünfundsechzigste verpaßt!«
»’tschuldigung«, sagte der Fahrer, bog in die Einundsechzigste Straße ab und stand natürlich prompt im Stau.
»Ist denn das die Möglichkeit«, sagte D’Agosta zu Pendergast. »Sie sollten diesen Knallkopf in hohem Bogen hinauswerfen.«
Pendergast lächelte mit immer noch halbgeschlossenen Augen. »Er ist – wie soll ich das sagen – eine Art Leihgabe von unserem New Yorker Büro. Aber diese Verzögerung gibt uns wenigstens die Gelegenheit, ein wenig miteinander zu plaudern.« Er sank wieder in seinen schäbigen Sitz zurück.
Pendergast war den halben Nachmittag lang bei der Autopsie von Jolleys Leiche gewesen, während D’Agosta die Einladung dazu dankend abgelehnt hatte.
»Das Labor hat mehrere verschiedene Arten von DNS in unserer Probe gefunden«, sagte Pendergast. »Eine war menschlich, die andere stammte von einem Gecko.«
D’Agosta sah ihn an. »Von einem Gecko? Was ist denn ein Gecko?« fragte er.
»Eine Art Eidechse. Vollkommen harmlos. Sitzt an der Wand und sonnt sich. Als ich klein war, haben meine Eltern einmal eine Villa mit Blick aufs Mittelmeer gemietet. Dort waren viele Geckos an den Wänden. Wie dem auch sei, die Ergebnisse der DNS -Analyse waren so überraschend, daß der Labortechniker zunächst an einen Scherz glaubte.«
Pendergast öffnete seine Aktentasche. »Hier ist der Bericht von Jolleys Autopsie. Es ist nicht viel Neues dabei herausgekommen, fürchte ich. Dieselbe Vorgehensweise, die Leiche war fürchterlich entstellt und wieder fehlte der Hypothalamus. Die Gerichtsmediziner haben ausgerechnet, daß, um so tiefe Verletzungen mit einem einzigen Schlag zu verursachen, eine nach unten gerichtete Kraft von –« er las von einem maschinenbeschriebenen Blatt ab – »sechshundert Kilo pro Quadratzentimeter nötig ist. Dr. Ziewicz sagt, daß das fast doppelt soviel Kraft ist, wie sie ein starker Mann aufbringen kann. Allerdings ist das natürlich nur eine ziemlich grobe Schätzung.«
Pendergast blätterte ein paar Seiten weiter. »Außerdem haben sie am Gehirn des älteren Jungen und dem von Jolley Enzymtests auf eventuell vorhandene Speichelspuren gemacht.«
»Und –?«
»Beide Proben waren positiv.«
»Mein Gott. Meinen Sie, daß der Mörder die verdammten Gehirne
gegessen
hat?«
»Nicht nur gegessen, Lieutenant, sondern auch noch mächtig eingespeichelt. Er oder sie hat ganz offensichtlich keine Tischmanieren. Haben Sie den Bericht der Spurensicherung dabei? Kann ich den bitte mal sehen?«
D’Agosta gab ihm den Bericht. »Sie werden kaum etwas Überraschendes drin finden. Das Blut auf dem Gemälde stammt von Jolley. Außerdem haben sie Blutspuren gefunden, die an der Sicherheitszone vorbei- und eine Treppe in den unteren Keller hinunterführten. Leider hat der Regen von gestern nacht dort alle Spuren weggespült.«
Pendergast überflog das Dokument. »Und hier ist der Bericht über die Tür zum Gewölbe mit den Kisten. Jemand hat dort mächtig dagegengehauen, vermutlich mit einem stumpfen Gegenstand. Außerdem wurden dreigezackte Kratzspuren gefunden, die den Wunden der Opfer ähneln. Auch an der Tür wurde bemerkenswert viel Kraft angewandt.«
Pendergast gab D’Agosta den Bericht zurück. »Es sieht so aus, als müßten wir dem unteren Keller mehr Aufmerksamkeit widmen. Im Grunde genommen drehen wir uns nämlich im Kreis, Vincent. Das gefällt mir nicht. Diese DNS -Geschichte ist momentan fast das einzige, worauf wir aufbauen können. Wenn wir wüßten, woher diese Kralle stammt, hätten wir endlich so etwas wie eine konkrete Spur. Deshalb habe ich Sie auch zu diesem Treffen hier gebeten.«
Der Wagen hielt vor einem Labyrinth von ineinander verschachtelten, efeuüberwachsenen Ziegelbauten mit Blick auf den East River. Ein Wachmann ließ Pendergast und D’Agosta durch eine Seitentür in eines der Gebäude hinein.
Oben im Labor lehnte Pendergast sich an einen Tisch in der Mitte des Raumes und plauderte entspannt mit Buchholtz und Turow, den beiden Wissenschaftlern. D’Agosta fand die Leichtigkeit, mit der der Südstaatler die Szene beherrschte, bewundernswert.
»Mein Kollege und ich würden uns gerne über die von Ihnen vorgenommene DNS -Sequenzierung informieren. Wir müssen wissen, wie Sie zu diesem Ergebnis gekommen sind und ob es möglicherweise weiterführende Untersuchungen gibt, die man mit dieser Probe anstellen könnte. Ich bin mir sicher, daß Sie dafür
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