Pendergast 02 - Attic - Gefahr aus der Tiefe
Verbrecherbande arbeitete sich von Waggon zu Waggon systematisch durch den stehenden Zug vor.
»Die sagen einem doch nie, was wirklich passiert«, maulte Kolb und blickte nervös zu dem Lautsprecher hinauf. »Vielleicht sollte mal jemand nachsehen, was los ist.«
»Nur zu«, entgegnete Trumbull. »Tu dir keinen Zwang an.«
»Das war ein Mann, der geschrien hat«, sagte Kolb. »Ich habe es genau gehört.«
Als Trumbull wieder aus dem Fenster sah, bemerkte er, wie abermals eine Gestalt die Gleise entlangkam. Sie hatte einen merkwürdigen, fast hinkenden Gang.
»Da kommt jemand«, sagte er.
»Frag ihn, was los ist.«
Trumbull trat ans Fenster. »Hel He, Sie da!«
Die Gestalt blieb stehen.
»Ist etwas passiert?« rief Trumbull hinaus. »Wurde jemand verletzt?«
Ohne zu antworten, setzte sich die Gestalt wieder in Bewegung.
Trumbull sah, wie sie auf den Wagen vor dem ihren zuging, auf die Kupplung kletterte und aus seinem Gesichtsfeld verschwand.
»Ich hasse diese Arschlöcher von der U-Bahn«, erklärte Kolb.
»Schieben vierzig Riesen im Jahr ein und kümmern sich einen Scheißdreck um ihre Fahrgäste.«
Trumbull ging nach vorn und schaute durch das Fenster der Verbindungstür in den vorderen Waggon. Der einzelne Passagier saß noch immer da und las jetzt in einem Taschenbuch.
Wieder war alles still.
»Kannst du was sehen?« fragte Kolb.
Trumbull ging zurück zu seinem Platz. »Nichts«, kommentierte er. »Vielleicht war es ja nur ein Arbeiter, der seinem Kumpel was zugerufen hat.«
»Wenn wir nur endlich weiter fahren würden«, sagte die Kellnerin auf einmal mit zittriger Stimme. Der Junge in der dicken Jacke lümmelte auf seiner Bank, die Hände in den Taschen.
Der hat bestimmt eine Knarre in der Hand, dachte Trumbull, der sich nicht sicher war, ob er das nun beruhigend oder beängstigend finden sollte.
Dann ging im vorderen Wagen auf einmal das Licht aus.
»Verdammte Scheiße«, schrie Kolb.
Aus dem dunklen Waggon war ein dumpfer Schlag zu hören, der den ganzen Zug erzittern ließ. Dem Aufprall folgte ein merkwürdiges seufzendes Geräusch, das Trumbull an aus einem feuchten Ballon entweichende Luft erinnerte.
»Was war das?« fragte die Kellnerin ängstlich.
»Mir reicht's«, erklärte Kolb. »Ich verschwinde von hier. Der Bahnhof 59th Street kann nur ein paar Blocks weit hinter uns liegen. Kommst du mit, Bill?«
»Ich bleibe hier.«
»Dann bist du ein Idiot«, sagte Kolb. »Ich jedenfalls werde nicht darauf warten, daß eine gottverdammte Gang durch diese Tür kommt und mich wegen ein paar Dollar absticht«
Trumbull schüttelte seinen schmerzenden Kopf. In solchen Situationen war es immer besser, sich so unauffällig wie möglich zu verhalten. Wenn man sich bewegte, lenkte man nur die Aufmerksamkeit auf sich und machte sich damit erst recht zum Ziel eines Angriffs.
Aus dem dunklen Waggon drang jetzt ein Geräusch wie Regen, der gegen eine Metallwand prasselt.
Als Trumbull durch die Verbindungstür schauen wollte, bemerkte er, daß die Scheibe von innen mit dicker Farbe bespritzt war, die in dicken Klumpen nach unten lief.
»Was ist da los?« schrie Kolb.
Zunächst hatte Trumbull den Eindruck, als würden im nächsten Waggon jugendliche Vandalen mit roter Farbe herumspritzen, aber dann wurde ihm schlagartig klar, daß es Blut war, das da an der Scheibe entlanglief.
Kolb hatte recht. Sie sollten von hier verschwinden, solange es noch möglich war. Trumbull hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da rannte er schon zur hinteren Tür des Waggons.
»Billy! Warte auf mich!« schrie Kolb und hetzte hinterher.
Im Laufen hörte Trumbull, wie die Verbindungstür zum vorderen Waggon aufflog und wie die Kellnerin in Panik aufschrie.
Ohne sich umzusehen, riß er die hintere Schiebetür auf und sprang über die Kupplung auf den nächsten Waggon. Kolb hielt sich dicht hinter ihm und fluchte in einem fort nur:
»Scheiße! Scheiße! Scheiße!« Trumbull sah noch, daß der Waggon leer war, dann ging im ganzen Zug das Licht aus.
Gefolgt von Kolb rannte er durch den dunklen Wagen zur hinteren Tür. Es war der letzte Waggon, und durch die Scheiben konnte Trumbull die gelblichen Lichter des Bahnhofs 59th Street erkennen.
»Mach schon«, herrschte er Kolb an. »Hilf mir, diese verdammte Tür zu öffnen.«
In diesem Augenblick gellte der Knall eines Schusses durch den Wagen, den sie gerade hinter sich gelassen hatten. Als das Echo verklungen war, hörte Trumbull, wie das leise Schluchzen der
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