Pendergast 02 - Attic - Gefahr aus der Tiefe
so sicher, daß der gute Jeffrey die Morde begangen hatte. Für D'Agosta war das nur ein schwacher Trost.
Mit einem Seufzer verbannte D'Agosta die Baseball-Bilder aus seinem Kopf und zwang sich, an Alberta Munoz zu denken, die einzige Überlebende des U-Bahn-Massakers.
Kurz nachdem D'Agosta am Notausstieg an der 66th Street angelangt war, hatte man die dicke, mütterlich wirkende Frau auf einer Krankentrage herausgebracht. Sie hatte die Hände im Schoß gefaltet, ein entrücktes Lächeln spielte auf ihrem glänzenden dunklen Gesicht. Gott allein wußte, wie sie es geschafft hatte, den Killern zu entgehen. Sie selbst jedenfalls hatte noch kein einziges Wort gesagt. Den Zug, aus dem man sie geborgen hatte, hatten die Täter in ein Schlachthaus verwandelt: Neun Tote waren die gräßliche Bilanz der Schreckensfahrt, sieben Fahrgäste und zwei Angestellte. Fünf von ihnen hatten zertrümmerte Hinterköpfe und bis zum Nacken aufgeschlitzte Kehlen, bei dreien fehlten die Köpfe ganz. Ein Fahr gast war auf die Stromschiene getreten und verbrannt. Ein gefundenes Fressen für die Presse und für clevere Anwälte, deren Händereiben D'Agosta jetzt schon zu hören glaubte.
Mrs. Munoz lag jetzt in der psychiatrischen Abteilung im St. Luke's Hospital, und der behandelnde Arzt hatte, Waxies wütenden Drohungen zum Trotz, verfügt, daß sie vor sechs Uhr früh nicht vernommen werden durfte.
Drei verschwundene Köpfe. Natürlich war man sofort den in die Tunnels führenden Blutspuren nachgegangen, aber die Spezialisten von der Spurensicherung hatten in dem feuchten Labyrinth dort unten schon nach wenigen Metern aufgeben müssen. Im Geist faßte D'Agosta noch einmal den vermutlichen Tathergang zusammen: Irgend jemand hatte einen Signaldraht durchgeschnitten und damit sämtliche Expreßzüge zwischen der 14th und der 125th Street gestoppt. Einer dieser Züge war im langen Tunnel zwischen der 59th und der 86th Street steckengeblieben, wo die Killer offenbar im Hinterhalt gelegen waren.
Die ganze Tat zeugte von straffer intelligenter Planung, möglicherweise sogar von Insiderwissen. Obwohl die am Tatort gefundenen Spuren eher dürftig waren, schätzte D'Agosta die Zahl der Täter auf mindestens sechs und höchstens zehn. Es war ein perfekt vorbereiteter und gut koordinierter Angriff gewesen.
Aber zu welchem Zweck?
An der Lage der verkohlten Leiche zwischen den Gleisen hatte die Spurensicherung festgestellt, daß der Mann möglicherweise absichtlich auf die Stromschiene getreten war. D'Agosta fragte sich, was ihn wohl zu diesem verzweifelten Schritt veranlaßt hatte. Was immer es auch gewesen sein mochte, möglicherweise hatte auch Alberta Mufioz es gesehen. Er mußte unbedingt mit ihr sprechen, bevor Waxie mit seiner ruppigen Art alles kaputtmachte.
»He, D'Agosta«, hörte er plötzlich wie auf Bestellung die ihm nur allzu bekannte Stimme. »Was machst du denn da? Bist du eingeschlafen, oder was?«
D'Agosta öffnete langsam die Augen und schaute in das rot angelaufene, vor Anspannung bebende Gesicht.
Wenn man von der Sonne spricht, sendet sie ihre Strahlen.
»Entschuldige, daß ich deinen Schönheitsschlaf unterbreche«, giftete Waxie, »aber wir haben es hier mit einer kleinen Krise zu tun, falls du das noch nicht bemerkt haben solltest«
D'Agosta stand auf, nahm sein Jackett von der Stuhllehne und schlüpfte hinein.
»Hast du verstanden, D'Agosta?« rief Waxie.
Ohne ein Wort zu sagen, drängte sich D'Agosta an dem Captain vorbei in den Gang. Hayward stand am Koordinationstisch und las ein soeben hereingekommenes Fax. D'Agosta suchte Blickkontakt mit ihr und nickte in Richtung Aufzüge.
»Wo, zum Teufel, willst du hin?« schrie Waxie, der D'Agosta auf dem Fuß gefolgt war. »Bist du taub, oder was? Ich sagte, wir haben es hier mit einer Krise zu tun, und ich erwarte, daß ...«
»Das ist deine Krise, Jack«, schnitt D'Agosta ihm das Wort ab.
»Damit mußt du alleine fertig werden. Ich habe jetzt etwas anderes zu tun.«
Als die Aufzugstüren sich schlossen, steckte sich D'Agosta eine Zigarre in den Mund und sah Hayward an.
»Ins St. Luke's?« fragte sie. D'Agosta nickte.
Im Erdgeschoß angekommen, blieben die beiden wie angewurzelt stehen. Vor der großen Glastür hatten sich aufgebrachte Menschen versammelt, die drohend die Fäuste in die Luft reckten und lautstark Parolen skandierten. Als D'Agosta um zwei Uhr früh ins Polizeipräsidium gekommen war, hatte er bereits ein paar vereinzelte Demonstranten auf dem
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