Pendergast 02 - Attic - Gefahr aus der Tiefe
schließlich doch einen Blick durch die ungewohnte Nachtsichtbrille auf den FBI-Agenten und sah, daß er mit einem Menschen und nicht mit einem Wrinkler im Clinch lag. Es war ein abgerissener, schlammverschmierter Mann, der aus einer Wunde am Kopf blutete, vermutlich ein Obdachloser, den die Polizei nicht aus dem Untergrund vertrieben hatte. Aber dann erkannte Margo auf den grünlich leuchtenden Monitoren die schlaksige Gestalt des Mannes.
»Bill?« fragte sie erstaunt.
Pendergast hatte den Mann inzwischen zu Boden geworfen und flüsterte ihm, während er ihm noch immer die Hand auf den Mund preßte, etwas ins Ohr. Einen Augenblick später gab der Mann seinen Widerstand auf.
Pendergast ließ ihn los und stand auf. Margo beugte sich über die am Boden liegende Gestalt. Sie hatte recht gehabt. Es war Smithback.
»Geben Sie ihm eine Minute, um sich auszuruhen«, sagte Pendergast.
»Das ist doch nicht zu glauben«, brummte D'Agosta. »Ist der Kerl uns etwa nachgeschlichen?«
Pendergast schüttelte den Kopf. »Nein. Uns ist niemand gefolgt.« Er sah sich um und bemerkte, daß in der Nähe einige Tunnels zusammenliefen. »Das hier ist der Flaschenhals, wo alle Kanäle des Quadranten unter dem Central Park aufeinandertreffen. Offenbar wurde Smithback verfolgt und kam aus einem dieser Tunnels.
Die Frage ist bloß, wer ihn verfolgt hat. Oder was.« Pendergast machte seinen Flammenwerfer klar und blickte hinüber zu D'Agosta. »Ist Ihr Blitz bereit, Vincent.«
D'Agosta nickte.
Auf einmal sprang Smithback auf, sackte aber gleich wieder zusammen und blieb auf den Leitungen und Rohren liegen, die den Boden des Flaschenhalses bildeten.
»Sie haben Duffy getötet!« rief er. »Wer seid ihr? Hilfe! Ich kann nichts sehen!«
Margo steckte ihre Waffe ein und kniete sich neben Smithback nieder. Der Weg von dem U-Bahn-Tunnel hier herunter, der durch von allen möglichen Geräuschen widerhallende Stollen und finstere feuchte Gänge geführt hatte, war auch an ihren Nerven nicht spurlos vorübergegangen. Sie konnte gut verstehen, wie Smithback sich jetzt fühlte.
»Bill«, sagte sie mit beruhigender Stimme. »Es ist alles in Ordnung. Ich bin es, Margo, Margo Green. Pendergast, D'Agosta und Mephisto sind bei mir. Bitte seien Sie still. Wir dürfen kein Licht machen, sonst werden die Kreaturen auf uns aufmerksam. Deshalb tragen wir alle Nachtsichtgeräte, aber leider haben wir keines mehr für Sie übrig. Aber wir weisen Ihnen den Weg.«
Smithback staute mit weit aufgerissenen Augen in die Richtung, aus der ihre Stimme kam. »Ich möchte fort von hier«, rief er und versuchte, sich aufzurappeln.
»Was? Sie wollen freiwillig eine Geschichte sausenlassen?« fragte D'Agosta sarkastisch.
»Allein finden Sie nie zurück«, sagte Pendergast und legte Smithback eine Hand auf die Schulter.
Sein neuerlicher Ausbruch schien den Journalisten erschöpft zu haben. »Was tun Sie überhaupt hier unten?« fragte er mit müder Stimme.
»Dieselbe Frage könnte ich Ihnen auch stellen«, entgegnete Pendergast. »Mephisto führt uns zu den Astortunnels, die auch als The Devil's Attic bekannt sind. Ursprünglich war geplant gewesen, das Reservoir im Central Park abzulassen und mit dem Wasser die Kreaturen in ihren Tunnels zu ertränken.«
»Das war Captain Waxies Idee«, warf D'Agosta ein.
»Aber das Reservoir ist voll von gefährlichen Pflanzen, deren Samen auf keinen Fall mit Salzwasser in Berührung kommen dürfen. Weil es zu spät ist, das Ablassen des Wassers zu stoppen, werden Kampftaucher der Marine vom Fluß her die Abläufe der Astortunnels durch Sprengungen verschließen, während uns die Aufgabe zufallt, die Seitengänge am Flaschenhals und bei den Astortunnels dichtzumachen, damit das Wasser sich nicht andere Wege in den Hudson suchen kann. Wenn uns das gelingt, dann wird sich das Wasser von den Tunnels bis hierher zum Flaschenhals so lange stauen, bis ein ihm zugesetztes Herbizid seine volle Wirkung entfalten kann.«
Smithback sagte nichts und senkte den Kopf.
»Wir sind gut bewaffnet, haben ziemlich genaue Pläne und sind auf alles vorbereitet, was uns hier unten zustoßen könnte. Wenn Sie bei uns bleiben, sind Sie sehr viel sicherer als allein. Verstehen Sie, was ich sage, William?«
Mit Erleichterung bemerkte Margo, daß Pendergasts wohlgewählte Worte eine beruhigende Wirkung auf Smithback hatten. Er atmete langsamer, und schließlich nickte er sogar kaum merklich mit dem Kopf.
»Und was haben Sie hier unten verloren?«
Weitere Kostenlose Bücher