Pendergast 02 - Attic - Gefahr aus der Tiefe
wurde immer tiefer und tiefer in das Loch unter sich gesaugt. Ein brüllendes Geräusch dröhnte ihr in den Ohren, das das Rauschen ihres eigenen Blutes übertönte. Wie ein Stück Treibholz in einem Orkan wurde sie von einer Seite des Schachtes auf die andere geschleudert. Über sich sah sie noch Pendergast, wie er seine Hand nach ihr ausstreckte. Sie schien ihr so klein wie die einer Puppe. Dann hörte sie auf einmal einen weiteren dumpfen Schlag, und das Rohr über ihr drückte sich mit einem lauten metallischen Knall zusammen. Während das Rumpeln rings um sie weiter anhielt, wurde Margo immer tiefer in die wassererfüllte Dunkelheit gesogen.
63
Hayward trabte im Dauerlauf den Hauptweg des Parks entlang in Richtung Konzertmuschel und Cherry Hill.
Officer Carlin neben ihr lief für einen Mann seiner Statur erstaunlich leicht und locker. Seine Bewegungen hatten die Eleganz eines geborenen Athleten, auf seiner Stirn war nicht ein einziger Schweißtropfen zu sehen.
Die Schlacht mit den Maulwürfen, das Tränengas, das Chaos, das sie oben auf der Straße vorgefunden hatten – nichts von alldem hatte ihm im geringsten etwas anhaben können.
Hier, in der Dunkelheit des Parks, war der Lärm, der ihnen vorhin so entfernt vorgekommen war, schon sehr viel lauter. Er kam Hayward vor wie ein einziger, an- und abschwellender Schrei mit einer Art Eigenleben.
Flackernde Feuer irgendwo in den Straßen warfen einen gelblichen Schein auf die tiefliegenden Wolken.
»Großer Gott«, sagte Carlin im Laufen. »Das klingt ja wie eine Million Leute, die sich gegenseitig zu meucheln versuchen.«
»Konnte hinkommen«, antwortete Hayward, während eine Gruppe von Nationalgardisten an ihnen vorbei nach Norden lief.
Die beiden trabten über die Bow Bridge und am Rand des Ramble entlang, bis sie sich dem Polizeikordon rings um Belvedere Castle näherten, vor dem die im Leerlauf tuckernden Kleinbusse der verschiedenen Fernsehanstalten warteten. Darüber schwebte ein schwerer Hubschrauber, dessen Rotorwind die Wipfel der Bäume peitschte. Nachdem ein Lieutenant sie durchgewinkt hatte, stiegen Hayward und Carlin die Stufen zum Schloß hinauf. Auf der Terrasse stand inmitten einer durcheinanderwuselnden Menge von hohen Polizeioffizieren, städtischen Beamten und Kommandeuren der Nationalgarde Chief Horlocker, der in den vergangenen vier Stunden um zehn Jahre gealtert zu sein schien. Der Polizeipräsident sprach mit einer zierlichen, gut angezogenen Frau Ende Fünfzig.
Oder, besser gesagt, er hörte zu, wie die Frau in raschen, knappen Sätzen auf ihn einredete. Als Hayward näher trat, erkannte sie die Freu als Anette Wisher, die Organisatorin der »Säubert New York«-Demonstrationen.
»... eine Ungeheuerlichkeit, wie sie in der Geschichte dieser Stadt ihresgleichen sucht«, gab Mrs. Wisher gerade von sich.
»Ein Dutzend meiner persönlichen Freunde liegt im Krankenhaus, und kein Mensch kann sagen, wie viele Teilnehmer an unserer Demonstration sonst noch verletzt wurden. Ich habe gehört, daß es mehrere hundert sein sollen. Das wird Folgen haben, Chief Horlocker. Wir werden die Stadtverwaltung verklagen, bis sie schwarz wird. Das können Sie dem Bürgermeister bestellen.«
»Nach meinen Informationen waren es gerade die jüngeren Teilnehmer Ihrer Demonstration, die mit der Gewaltangefangen haben, Mrs. Wisher ...«, hielt der Polizeipräsident dagegen.
Mrs. Wisher hörte ihm überhaupt nicht zu. »Und wenn das alles vorbei ist«, fuhr sie fort, »und der Park und die Straßen von dem Dreck, dem Schutt und den Glassplittern gesäubert sind, dann wird unsere Organisation stärker dastehen als je zuvor. Wenn der Bürgermeister heute nacht vor uns Angst hat, dann wird er morgen noch zehnmal mehr Angst haben. Der Tod meiner Tochter war der Funke, der unsere angestaute Wut gezündet hat, aber dieser unglaubliche Angriff auf friedliche Demonstranten hat das Feuer erst wirklich entfacht Und glauben Sie bloß nicht, daß wir ...«
Hayward trat einen Schritt zurück. Jetzt war wohl nicht der richtige Moment, um mit dem Polizeipräsidenten zu sprechen. Sie spürte, wie Carlin sie am Ärmel zog. Wortlos deutete der Polizist auf die große Rasenfläche, die hinter Belvedere Casde begann.
Dort loderte eine Unzahl von kleinen Feuern, zum Teil in Abfallkörben, zum Teil mitten im Gras. Dazwischen waren verschiedene Gruppen noch immer in erbitterte Prügeleien verstrickt. Im Flackern der Feuer und im Scheinwerferlicht der aufgefahrenen
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