Pendergast 02 - Attic - Gefahr aus der Tiefe
beiden durch die Lobby des Hotel des Artistes das renommierte Cafe.
Auf dem Weg in die gemütliche alte Bar nickte Smithback dem Hotelmanager zu wie einem alten Freund.
»Sieht gut aus«, meinte Margo und deutete auf das Tablett mit Quiche, mit dem eine Bedienung von Tisch zu Tisch ging.
»He, ich habe gesagt, daß ich Sie auf einen Drink einlade, nicht auf ein achtgängiges Dinner« protestierte Smithback und steuerte zielsicher auf einen Tisch unter einem Gemälde zu, das in einem Garten herumtanzende nackte Frauengestalten zeigte.
»Ich glaube, die Rothaarige ist verliebt in mich«, sagte er und deutete augenzwinkernd über seine Schulter.
Ein alter Kellner mit einem Dauerlächeln auf dem faltigen Gesicht kam an den Tisch, um ihre Bestellung aufzunehmen.
»Ich liebe diese Bar«, sagte Smithback, als der schwarzweiß gekleidete Ober wieder von dannen geschlurft war. »Die Bedienung hier ist so freundlich. Ich hasse diese blasierten Kellner, die einen wie ein Stück Dreck behandeln.«
Margo blickte ihn fragend an.
»Okay. Genug der Vorrede. Beginnen wir mit der Fragestunde. Haben Sie seit unserem letzten Treffen auch brav alle meine Artikel gelesen?«
»Wo denken Sie hin? Das hält doch kein Mensch aus«, frotzelte Margo. »Aber die Artikel über Pamela Wisher habe ich mir alle angetan. Der zweite war sogar halbwegs lesbar. Es hat mir gefallen, daß sie die Frau endlich mal als einen echten Menschen dargestellt haben, nicht nur als ein ums Leben gekommenes Gesellschaftshäschen. Dieser menschliche Touch ist wohl Ihre neueste Masche, habe ich recht?«
»Gut erkannt«, sagte Smithback. Der Kellner brachte ihnen ihre Drinks und eine Schale mit Haselnüssen. »Ich komme gerade von einer Demonstration, die Mrs. Wisher organisiert hat«, ergänzte Smithback. »Sie ist eine bemerkenswerte Frau.«
Margo nickte. »Ich habe ihre Rede beim Joggen in den Nachrichten gehört. War ziemlich starker Tobak. Ich frage mich, ob sie wohl weiß, was sie damit ins Rollen bringt.«
»Am Schluß wurde es richtig unheimlich, als die oberen Zehntausend auf einmal die Macht der Straße entdeckten.«
Obwohl Margo lachte, blieb sie auf der Hut. Bei Smithback mußte man vorsichtig sein. Sie traute es ihm ohne weiteres zu, daß er das ganze Gespräch auf Tonband mitschnitt.
»Ist schon merkwürdig«, fuhr Smithback fort.
»Was ist merkwürdig?«
Er zuckte mit den Achseln. »Wie wenig es braucht – ein bißchen Alkohol, das Gefühl, Teil einer Menge zu sein –, um unter der Oberschichttünche den häßlichen Gewaltmenschen hervorzuholen.«
»Wenn Sie auch nur ein bißchen Ahnung von Anthropologie hätten«, sagte Margo, »dann würden Sie sich nicht darüber wundern. Im Radio haben sie übrigens gesagt, daß die Demonstranten nicht nur Mitglieder der Oberschicht waren.« Sie nahm einen weiteren Schluck von ihrem Drink und lehnte sich zurück. »Aber Sie haben mich doch bestimmt nicht eingeladen, um mit mir zu plaudern, Bill. Soviel Geld geben Sie nur dann aus, wenn Sie etwas von mir wollen.«
Smithback stellte sein Glas auf den Tisch, wobei er ehrlich verletzt wirkte. »Margo! So kenne ich Sie ja gar nicht! Da sehen wir uns wochenlang nicht, und wenn wir endlich zusammenkommen, erzählen Sie solchen Unsinn. Und schauen Sie sich bloß mal an: muskelbepackt wie eine Gazelle. Wo ist nur die untrainierte Margo mit den krummen Schultern geblieben, die Margo, die ich gekannt und geliebt habe? Margo, Margo, was ist nur mit Ihnen los?«
Margo wollte schon antworten, aber dann hielt sie inne. Was würde Smithback erst sagen, wenn er wußte, daß sie jetzt immer eine Pistole in ihrer Umhängetasche dabei hatte? Ja, was ist wirklich mit mir los? fragte sie sich. Aber sie wußte die Antwort nur zu genau. Es stimmte, sie hatte Smithback in letzter Zeit nur selten gesehen, und Greg Kawakita oder FBI-Agent Pendergast hatte sie seit den schrecklichen Vorfallen im Museum überhaupt nicht mehr getroffen und Dr. Frock und Lieutenant D'Agosta erst wieder bei der Untersuchung des Wisher-Mordes. Die Erinnerungen, die sie alle miteinander teilten, waren für Margo einfach noch zu frisch und zu schmerzlich. Die Alpträume, unter denen Margo litt, waren schon schlimm genug; da brauchte sie nicht auch noch jemanden, der sie durch seine Gegenwart an die grauenvollen Ereignisse erinnerte.
Noch während Margo darüber nachdachte, verwandelte sich Smithbacks geschmerzter Gesichtsausdruck in ein breites Grinsen. »Ach, was soll's«, sagte er. »Es macht
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