Pendergast 02 - Attic - Gefahr aus der Tiefe
Telefon, um den Polizeipräsidenten anzurufen. Wenn schon ein Arsch aufgerissen werden mußte, sollte das nach Möglichkeit nicht sein eigener sein. Bei Horlocker war es immer besser, wenn man sich mit ihm in Verbindung setzte und nicht wartete, bis er sich meldete.
D'Agosta hatte kein Glück. Er erreichte nur die Voice-Mail von Horlockers Sekretärin.
Er schlug noch einmal die Zeitung auf, warf sie aber nach kurzer Lektüre frustriert wieder auf den Schreibtisch. Jeden Augenblick konnte Waxie kommen und sich über den Termin beschweren, den der Polizeipräsident ihm und D'Agosta gesetzt hatte. Beim Gedanken an Waxie schloß D'Agosta unwillkürlich die Augen, öffnete sie aber sofort wieder, als er spürte, daß ihn ein tiefes Gefühl der Müdigkeit überfiel. Er hatte in der vergangenen Nacht wegen der Untersuchung des Bitterman-Mordes nur zwei Stunden geschlafen und war völlig fertig.
Er stand auf und trat ans Fenster. Unter einem dünnen Schleier aus Smog sah er, wie auf dem Pausenhof einer nahen Grundschule Kinder herumtollten, Seil hüpften und Fangen spielten.
Sicher brüllten sie dabei aus Leibeskräften, aber D'Agosta war viel zu weit entfernt, um etwas davon zu hören. Großer Gott, was hätte er dafür gegeben, jetzt eines dieser Kinder sein zu können.
Als er sich wieder seinem Schreibtisch zuwandte, bemerkte er, daß er mit der Zeitung das Foto seines zehnjährigen Sohnes, Vinnie junior, umgeworfen hatte. Er stellte es wieder auf, rückte es sorgfältig zurecht und lächelte es an. Danach fühlte er sich ein wenig besser. Er griff in seine Brusttasche und zog eine Zigarre hervor. Zum Teufel mit Horlocker. Er würde die Dinge einfach auf sich zukommen lassen.
D'Agosta zündete seine Zigarre an, warf das Streichholz in den Aschenbecher und trat vor den großen Stadtplan an der Wand, auf dem die West Side von Manhattan dargestellt war. In der Karte steckten zwei rote und weiße Markierungsnadeln. Die weißen standen für Menschen, die in den vergangenen sechs Monaten verschwunden waren, die roten für Morde, die denen an den Obdachlosen und an Pamela Wisher ähnelten.
D'Agosta nahm aus seiner Plastikdose eine rote Nadel, suchte sich das Wasserreservoir im Central Park aus und drückte die Nadel unmittelbar unterhalb in den Stadtplan. Dann trat er einen Schritt zurück in der Hoffnung, in den weit verstreuten Nadeln ein Muster zu erkennen.
Es gab zehnmal so viele weiße Nadeln wie rote, aber D'Agosta war klar, daß viele der von ihnen derart symbolisierten Fälle einer genaueren Überprüfung nicht standhalten würden. Jeden Tag verschwanden in New York Menschen aus den verschiedensten Gründen, die nicht unbedingt mit einem Verbrechen zu tun haben mußten, aber immerhin waren im letzten halben Jahr dreimal so viele Vermißtenanzeigen eingegangen wie sonst üblich. Obwohl die meisten Menschen in der Nahe des Central Parks verschwunden waren, konnte D'Agosta auch bei längerem Betrachten der Nadeln kein Muster entdecken.
Dennoch sagte ihm sein Verstand, daß es einen Zusammenhang zwischen den einzelnen Fallen geben mußte.
»Na, Lieutenant, träumen Sie?« hörte D'Agosta eine ihm mittlerweile vertraute tiefe Stimme. Er fuhr zusammen und drehte sich um. Es war Sergeant Hayward, die ihm, ebenso wie Waxie, für den Fall zugeteilt war.
»Schon mal was von Anklopfen gehört?. fauchte D'Agosta.
»Habe ich. Aber ich dachte, Sie wollten dieses Zeug hier so schnell wie möglich auf dem Schreibtisch haben«, sagte Hayward und hielt ihm den dicken Stapel Computerausdrucke unter die Nase. D'Agosta nahm die Papiere und blätterte sie durch. Es waren die Berichte über weitere Morde an Obdachlosen, die zum Großteil in Waxies Revier um den Central Park und die West Side passiert waren. Natürlich war keines der Verbrechen ordentlich untersucht worden.
»Gott im Himmel«, murmelte er und schüttelte den Kopf.
»Am besten, wir markieren sie gleich mal auf unserer Karte.«
D'Agosta setzte sich vor die Computerausdrucke und las Hayward die Fundorte der Leichen vor, die diese dann mit einer roten Nadel auf dem Stadtplan vermerkte. Als er fertig war, hielt er inne und sah Hayward an.
Obwohl er es ihr gegenüber nie zugegeben hätte, war er insgeheim froh, daß sie ihm jetzt zur Seite stand. Ihr unerschütterliches Selbstvertrauen kam ihm vor wie ein sicherer Hafen inmitten eines tobenden Sturms, und wenn er ehrlich war, mußte er außerdem zugeben, daß sie auch ein hübscher Anblick war.
Auf einmal drangen vom
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