Pendergast 03 - Formula - Tunnel des Grauens
werden wir schon fertig. Zunächst knöpfen wir uns das Wachpersonal der Nachtschicht vor, vielleicht ist jemandem etwas Verdächtiges aufgefallen. Dann wäre da noch diese Archäologin, die die Leichen in der Doyers Street gefunden hat, und …
»Nora Kelly?«
»Richtig.«
»Soweit ich weiß, hat die Polizei bereits mit Dr. Kelly gesprochen.«
»Dann sprechen wir eben noch mal mit ihr. Außerdem brauchen wir von Ihnen detaillierte Auskünfte über die Sicherheitsvorkehrungen, sowohl im Archiv wie auch insgesamt. Darüber hinaus möchte ich mit allen reden, die mit diesem Archivar zusammengearbeitet haben, Mr. Puck.«
Manetti schluckte trocken.
»Und nun führen Sie mich zum Zentralarchiv! Auf dem kürzesten Weg, wenn ich bitten darf.«
Manetti ging voraus, Custer folgte ihm mit stolz geschwellter Brust. Endlich hatte er seine wahre Berufung erkannt! Er war ein Naturtalent, der geborene Aufklärer von Mordfällen. Seine Berufung zum Leiter der Sonderkommission war kein Zufall, sondern eindeutig eine Fügung des Schicksals gewesen.
5
Smithback stand in dem dunklen Flur und kämpfte gegen aufsteigende Ängste an – die waren das eigentliche Problem, nicht die verschlossenen Türen. Mindestens eine Tür war unverschlossen gewesen, wie hätte er sonst aus dem angrenzenden Zimmer auf den Flur kommen können?
Also noch mal von vorn! Er schlenderte mit absichtlich lässigem Schritt zur letzten Tür, überprüfte sie und klapperte dann eine Tür nach der anderen ab. Er rüttelte kräftig an den Klinken, es war ihm inzwischen egal, wie viel Lärm das machte. Aber es half alles nichts, er hatte sich nicht geirrt, sämtliche Türen waren fest verschlossen.
War ihm jemand nachgeschlichen und hatte hinter ihm abgeschlossen? Ausgeschlossen, in dem Zimmer, durch dessen Fenster er ins Haus gelangt war, hatte sich niemand aufgehalten.
Ihm fiel nur eine einzige Erklärung ein: Die Schlösser verriegelten automatisch, wenn eine Tür zugezogen wurde oder zufiel. Ein wenig ungewöhnlich, aber vielleicht war das bei alten Häusern so.
Kein Problem, er fand bestimmt einen anderen Weg nach draußen. Zum Beispiel durch die Eingangshalle und ein Fenster im Erdgeschoss. Das war sogar viel einfacher als der Herweg und ersparte ihm die Kletterpartie. Die einzige Schwierigkeit bestand darin, sich in dem dunklen Haus nur mit Hilfe des Feuerzeugs zurechtzufinden.
Er wartete, bis sein Herzschlag sich beruhigt hatte. Was ihn am meisten nervte, war die unheimliche Stille. Er ertappte sich dabei, dass er bei jedem Geräusch zusammenzuckte, selbst wenn es nur ein eingebildetes war. Andererseits war die Stille ein gutes Zeichen, versuchte er sich einzureden, der Beweis dafür, dass kein Hauswart da war. Ein solcher kam bestimmt nur einmal pro Woche, vielleicht sogar nur alle paar Monate. Jedenfalls konnte Smithback sich Zeit nehmen.
Er kam sich ein bisschen albern vor, als er sich zum zweiten Mal auf Socken die Marmortreppe hinuntertastete. Die Haustür musste links von ihm liegen, irgendwo in der Eingangshalle. Unten angekommen, blieb er stehen und lauschte. Lautlose Stille, er war mit Sicherheit allein im Haus.
Plötzlich fiel ihm Pendergasts Theorie ein. Was, wenn Leng tatsächlich noch lebte?
Blödsinn! Wie kam er bloß auf so einen absurden Gedanken! Niemand wurde hundertfünfzig Jahre alt. Die Dunkelheit, die Stille und das Wissen, unerlaubt durch ein fremdes Haus zu schleichen, ließen seine Phantasie Purzelbäume schlagen. Er blieb stehen, um sich zu orientieren. Auf der linken Seite der Eingangshalle glaubte er einen kurzen Flur auszumachen, der genau in die Richtung führte, in der er die Haustür vermutete. Er lag zwar in rabenschwarzem Dunkel, aber damit wurde er schon fertig. Er hatte ja sein Feuerzeug. Nur schade, dass er inzwischen die Füllung aufgebraucht hatte.
Er kramte in der Hosentasche, fand eine Schachtel Streichhölzer und ritzte eines an. In dem flackernden Licht sah er, dass der Flur zu einem anderen großen Raum führte, in dem ebenfalls Vitrinen und Schränkchen standen. Er war noch nicht weit gekommen, da erlosch das Streichholz. Bis zum Türrahmen tastete er sich im Dunkeln weiter, dann zündete er das nächste Streichholz an.
Wieder ein Ausstellungsraum, diesmal mit Gläsern, in denen in Formaldehyd konservierte Fundstücke schwammen. Er konnte gerade noch etwas von einem
Mammutmagen mit der zuletzt aufgenommenen Nahrung
und
sibirischem Eis
lesen, dann war das zweite Streichholz erloschen. Gut, da musste
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