Pendergast 03 - Formula - Tunnel des Grauens
gestopfte Plastikbeutel, das war’s schon.
»Wie sieht er aus?«
»Groß und brutal.«
»Lass die Witze!«, knurrte er übellaunig. So wie sie herumliefen, hätte sie an der Upper West Side kein Taxi mitgenommen, also war ihnen nur die U-Bahn geblieben. Nora konnte von Glück sagen, dass ihr niemand unsittliche Anträge gemacht hatte. Was will die Luxusnutte von dem verlausten Penner?, stand den männlichen Fahrgästen ins Gesicht geschrieben. Die lange Fahrt, inklusive zweimal umsteigen, war wahrlich kein reines Vergnügen gewesen.
»Dein Plan hat Schwächen«, nörgelte er. »Glaubst du wirklich, dass du allen Eventualitäten gewachsen bist? Der Typ dort drüben starrt dir jetzt schon auf die Titten.«
»Wir haben beide ein Handy dabei. Wenn’s brenzlig wird, schreie ich Zeter und Mordio, und du wählst die neun-neuneins. Aber mach dir keine Sorgen, ich pass schon auf mich auf. Und vergiss nicht: Das Kleid liegt in der vorletzten Nische rechts. Such die Rückwand ab, bis du auf den Spalt stößt. Und ruf mich an, wenn du’s geschafft hast und wieder draußen bist. Toi, toi, toi und Waidmannsheil!«
Sie trat in den Lichtkegel der Straßenlaterne und stakte auf klickenden Pumps und mit schaukelnden Brüsten am Bauzaun entlang. Als sie nahe genug heran war, blieb sie stehen, zog ein Schnütchen, kramte in ihrer goldfarbenen Handtasche und fischte den Lippenstift heraus. Der rutschte ihr natürlich prompt aus der Hand, und als sie sich danach bückte,wusste sie es so einzurichten, dass der Wachmann ein bisschen was Appetitliches zu sehen bekam. Sie konnte seinen hungrigen Blick förmlich auf der Haut spüren. Als sie sich die Lippen nachgezogen hatte, langte sie wieder in ihr Täschchen, wühlte darin, fluchte und sah sich suchend um. Wobei es sich ergab, dass ihr Blick ganz zufällig den des Wachmanns kreuzte. Der hatte das Taschenbuch aufgeschlagen auf dem Schoß liegen und glotzte zu ihr herüber.
»Scheiße.« Sie lächelte ihn betörend an. »Hab meine Lullen in der Bar liegen lassen.«
»Hier, nehmen Sie eine von mir!«, sagte der Wachmann und schwang sich eilfertig aus dem Wagen. Der Versuch, ihr durch eine Zaunmasche Feuer zu geben, schlug fehl. »Momentchen, ich muss nur schnell aufschließen.«
Nora wartete und ließ die Zigarette auf und ab wippen.
Das Tor schwang auf, Nora beugte sich über das Feuerzeug, tat einen tiefen Zug und hoffte, dass sie keinen Hustenanfall bekam. Sie sagte artig danke und musterte den Wachmann verstohlen: jung, hellbraunes Haar, ohne Bauchansatz, aber nicht gerade ein Athlet, einen etwas dümmlichen Zug im Gesicht und offenbar durch ihren Anblick leicht verwirrt. Gut so.
Sie riskierte noch einen Zug. »Hübsche Nacht.«
»Aber Sie frieren wahrscheinlich? Hier, nehmen Sie das.« Er zog den Mantel aus und hängte ihn ihr um die Schultern.
»Danke.« Nora lächelte ihn lieb an.
Der Wachmann sah aus, als könne er sein Glück nicht fassen. Sie wusste, dass sie attraktiv war und eine gute Figur hatte. Das übertriebene Make-up war paradoxerweise so etwas wie eine Tarnkappe, der Typ würde sie später nie und nimmer wiedererkennen. Komisch, irgendwie stimmte ihr Outfit sie keck und ein bisschen frivol.
Sie hörte in einiger Entfernung ein metallisches Klappern, anscheinend kletterte Smithback gerade über den Zaun. »Hast du jede Nacht Dienst?«, fragte sie rasch.
»Fünfmal in der Woche.« Sein Adamsapfel hüpfte nervös auf und ab. »Weil die Bauphase begonnen hat. Wohnen Sie – äh, wohnst du hier in der Nähe?«
Sie nickte vage in Richtung Hudson. »Und du?«
»In Queens«, sagte er.
»Verheiratet?«
Er ließ die Hand mit dem Ehering hinter dem Holster verschwinden, aber Nora hatte den Reifen schon bemerkt. »Ich? Ach wo.«
Sie nickte, nahm noch einen Zug und merkte, dass ihr schwindelig wurde. Wie kann man bloß so ein Kraut paffen? Sie konnte nur hoffen, dass Smithback sich beeilte.
Sie trat die Zigarette aus. Der Wachmann zückte sofort sein Päckchen. »Noch eine?« Er machte Stielaugen und schielte auf ihr Top. »Und du arbeitest in einer Bar?« Typische Verlegenheitsfrage, er wurde sogar rot dabei. Irgendwo rumpelten dumpf ein paar Ziegelsteine.
»Mhm, könnte man sagen.« Sie zog sich den Mantel fester um die Schultern.
Der Blick, mit dem er sie musterte, wurde etwas verwegener.
»Ich finde dich sehr attraktiv«, brachte er haspelnd heraus.
»Bist du – äh – später frei?«
Sie sah ihn groß an. »Willst du auf ein Date raus?«
»Ja. Ja,
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