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Pendergast 03 - Formula - Tunnel des Grauens

Pendergast 03 - Formula - Tunnel des Grauens

Titel: Pendergast 03 - Formula - Tunnel des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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sich: noch im Pennerkostüm, vom Scheitel bis zur Sohle bebende Empörung, weil sie ihm kühl mitgeteilt hatte, er werde erst später erfahren, was auf dem eingenähten Zettel stand. Und das ihm, einem Journalisten! Aber sie hatte sich nicht umstimmen lassen. Da der Tunnel leer geräumt und das Kleid ihr einziges Beweisstück war, wollte sie seinem Geheimnis – wenn es denn eines gab – in Ruhe und konzentriert auf die Spur zu kommen.
    Sie trat einen Schritt zurück. Da lag es im hellen Morgenlicht: ein schlichtes Kleid aus grobem grünem Wollstoff. Der hohe Kragen, das hübsch gefältelte, mit ursprünglich weißem, jetzt vergilbtem Leinen unterfütterte Mieder und das knöchellange Unterteil ließen unwillkürlich an das neunzehnte Jahrhundert denken. Nora fuhr mit der Hand über den Stoff und hörte knapp unter der Taille das Papier knistern. Nein, schön langsam, eins nach dem anderen!, ermahnte sie sich.
    Das Kleid war voller Flecke. Welche es waren, ließ sich ohne chemische Analyse nicht feststellen. Ein paar sahen nach Blut oder Schweiß aus, andere konnten von Fett, Kohlestaub oder auch von Wachs stammen. Der Saum war abgewetzt, der Stoff an vielen Stellen eingerissen, die größeren Risse sorgfältig genäht. Sie untersuchte die Flecke und die Risse mit der Lupe. Die Ausbesserungen waren mit verschiedenfarbigem Garn vorgenommen worden; ein armes Mädchen muss nehmen, was sich gerade findet, und grünes Nähgarn war eben nicht dabei gewesen.
    Motten- oder Mäusefraß konnte sie nicht entdecken, vermutlich weil das Kleid jahrzehntelang in einer zugemauertenNische gelegen hatte. Durch die Lupe konnte sie hier und da eine schwarze Schmierspur auf dem Stoff ausmachen, die nach Kohlestaub aussah. Sie zupfte mit der Pinzette ein paar Schmutzpartikel ab und schob sie in eines der Glasröhrchen. Genauso verfuhr sie mit den Fett- und Wachsspuren und ein paar Haaren. Es gab auch kleinere Flecke, die sie mit der Lupe nicht identifizieren konnte. Sie holte ein Stereozoom-Mikroskop aus dem Schrank und stellte es auf ihre Sehschärfe ein. Unwillkürlich zuckte sie zurück, als es urplötzlich in ihrem Blickfeld von Dutzenden toter Läuse und winziger Milben wimmelte, auch ein paar dicke, ausgetrocknete Fliegen waren dabei. Sie rief sich schmunzelnd zur Ordnung und zwang sich, noch einmal genau hinzusehen. Das alte Kleid war eine wahre Fundgrube für Biologen und Chemiker, eine gerichtsmedizinische Untersuchung würde Tage in Anspruch nehmen. Ein Gedanke, den sie angesichts der zu erwartenden Kosten und der vermutlich kargen Ergebnisse nicht weiter zu verfolgen wagte.
    Plötzlich kam ihr die Stille unheimlich vor, sie verspürte ein unerklärliches Kribbeln im Nacken, fuhr herum und schnappte erschrocken nach Luft: Hinter ihr stand, die Hände auf dem Rücken verschränkt, Special Agent Pendergast.
    »Mein Gott!«, japste sie und sprang auf. »Sie haben mich zu Tode erschreckt!«
    »Ich bitte vielmals um Entschuldigung.«
    »Ich dachte, ich hätte abgeschlossen?«
    »Haben Sie auch.«
    »Verfügen Sie über magische Kräfte? Oder haben Sie einfach das Schloss geknackt?«
    »Vielleicht war’s ein wenig von beidem. Nur, diese alten Türschlösser sind so simpel, dass man kaum von Knacken sprechen kann. Man kennt mich hier im Museum sehr gut, darum muss ich auf äußerste Diskretion achten.« Er beugte sich über das Kleid. »Das hatten Sie gestern Nachmittag noch nicht.«
    »Nein«, bestätigte sie einsilbig.
    Er nickte. »Zeugt von Einfallsreichtum, Dr. Kelly.«
    »Nun, ich bin letzte Nacht …«
    »Bitte keine Details, wenn es um fragwürdige Aktivitäten geht. Trotzdem, meinen Glückwunsch! Aber es lagen doch mehrere Kleidungsstücke in den Nischen. Warum ausgerechnet dieses?«
    Nora stülpte das Kleid wortlos um und deutete mit dem Kopf auf den flüchtig zugenähten Saum. Pendergast war mit ein, zwei kurzen Schritten neben ihr.
    »Da ist ein Stück Papier eingenäht«, erklärte ihm Nora. »Ich hab’s entdeckt, kurz bevor sie uns von der Baustelle gewiesen haben.«
    »Darf ich mir Ihre Lupe ausleihen?«
    Sie streifte sich die Lupe über den Kopf und hielt sie ihm hin. Er beugte sich tief über das Kleid. Die Art, wie er den Stoff Zentimeter für Zentimeter absuchte, verriet eine Professionalität, die Nora verblüffte und beeindruckte. Schließlich richtete er sich wieder auf.
    »Sehr überhastete Näharbeit«, sagte er. »Sie haben bestimmt bemerkt, wie sorgfältig die anderen Nähte gearbeitet sind. Die Fäden, die

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