Pendergast 03 - Formula - Tunnel des Grauens
Mühe, die Haustür aufzubrechen. Aber wenn er zu Nora zurückkehrte, sah sie ihm jedes Mal an, dass sie einmal mehr auf der falschen Fährte gewesen waren.
Sie waren bereits an der Hundertsechsunddreißigsten Straße angekommen, als Pendergast abermals vor einem alten Haus stehen blieb: der Fassade nach ein ehemals ansehnliches Stadthaus, aber – wie alles ringsum – vom Zahn der Zeit angenagt. Die ganze Wohngegend, einstmals eine Ansammlung eleganter Villen, schien dem Verfall preisgegeben zu sein.
Irgendetwas an dem Grundstück schien Pendergast zu faszinieren. Er senkte den Blick, suchte den Boden ab und sagte nach einer Weile leise: »Es scheint, dass Smithback Schwierigkeiten hatte, eine Parkmöglichkeit zu finden.«
Nora zuckte zusammen und starrte ihn erschrocken an. Ihr Freund musste nun seit mindestens sechs Stunden, vielleicht sogar noch länger, in der Gewalt des »Chirurgen« sein. Sie wagte sich in ihrer Verzweiflung nicht auszumalen, was in dieser Zeit alles geschehen sein konnte.
4
Captain Custer ließ Brisbane einen Augenblick schmoren, bevor er mit vertraulichem Grinsen fragte: »Sie gestatten doch?« Nach etlichen Verrenkungen schaffte er es endlich, seine Leibesfülle so in dem Besuchersessel unterzubringen, dass er den Vizepräsidenten genau im Blick hatte.
»Ich glaube, Sie wollten noch etwas sagen?«
Brisbane hatte sich wieder gefangen. »Nichts Wichtiges, ich habe nur gerade an den Hut gedacht.«
»Und?«
»Wie gesagt, nicht so wichtig.«
»Dann erzählen Sie mir doch mal, wie das mit den Kostümfesten im Museum war.«
»Nun, das sind Veranstaltungen, mit denen das Museum neue Gönner und Förderer gewinnen will. Von Zeit zu Zeit laden wir zu solchen Partys ein. Ich verkleide mich jedes Mal als britischer Banker auf dem Weg in die City. Nadelstreifenhose, Gehrock und Bowler.«
»Aha. Und der schwarze Regenschirm?«
»Mein Gott, so ein Ding hat doch jeder!«
Custer spürte, dass Brisbane sich hinter gespielter Gelassenheit verschanzte. Eine typische Anwaltsallüre.
»Sie sagten, dass Sie den Hut schon seit Jahren besitzen. Wo haben Sie ihn gekauft?«
»Da muss ich nachdenken … Ich glaube, im Village, in einem Trödelladen. Oder im TriBeCa. Jedenfalls irgendwo in der Lispinard Street, glaube ich.«
»Was hat er gekostet?«
»Das weiß ich nun wirklich nicht mehr!«, Brisbane schnaufte. »Um die dreißig oder vierzig Dollar. Hören Sie, wieso interessiert Sie das? Ich kenne eine Menge Leute, die Bowler besitzen.«
Achte auf seine Augen! Er fühlt sich in die Enge getrieben! Ein Zeichen von Schuldgefühlen!
»Tatsächlich? Eine Menge Leute?«, wiederholte Custer in ruhigem Ton. »Der einzige Besitzer eines Bowlers, den ich in New York kenne, ist der Mörder.« Bei dem Wort »Mörder« hob er fast unmerklich die Stimme.
Donnerwetter, lobte er sich im Stillen, ich spiele dieses Spielchen wie ein alter Routinier. Der Chief würde das sicher genauso sehen. Wer weiß, vielleicht ließ sich die Szene für einen Ausbildungsfilm nachstellen?
»Kommen wir noch mal auf den Regenschirm zurück …«
»Den habe ich … Ich weiß nicht mehr, wo ich den gekauft habe. Ich kaufe alle naslang neue Regenschirme, weil ich die Dinger ständig irgendwo stehen lasse.« Brisbane zucktegewollt lässig die Achseln, aber die Art, wie seine Schultern sich verkrampften, verriet wachsendes Unbehagen.
»Was gehört sonst noch zu Ihrem Kostüm?«
»Das hängt alles im Schrank, gucken Sie sich’s an!«
Custer machte keine Anstalten aufzustehen, er konnte sich schon denken, was er in dem Schrank finden würde: einen altmodischen, weit geschnittenen schwarzen Mantel.
»Finden Sie es nicht ein bisschen seltsam, sich für ein Kostümfest als englischer Banker zu verkleiden?«
»Ich laufe eben nicht gern wie ein Clown herum. Ich habe dieses Kostüm bei vielen Veranstaltungen getragen, das kann Ihnen jeder bestätigen. Es hat mir immer gute Dienste erwiesen.«
»Oh, da habe ich keine Zweifel. Sehr gute Dienste sogar.« Custer schielte zu Noyes hinüber und stellte zufrieden fest, dass der Sergeant sozusagen bereits Witterung aufgenommen hatte und ungeduldig auf den Startschuss wartete. Sein getreuer Vasall ahnte offenbar, worauf die Sache hinauslief. Custer schlug in seinem Notizbuch den Zeitraum nach, den der Coroner für den Mord an Puck genannt hatte. »Mr. Brisbane, wo waren Sie in der Zeit zwischen dem zwölften Oktober elf Uhr abends und dem dreizehnten, vier Uhr morgens?«
Brisbane dachte
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