Pendergast 03 - Formula - Tunnel des Grauens
nach, dann lachte er nervös. »Gar nicht so einfach, sich jetzt noch daran zu erinnern.«
Custer lächelte ihm aufmunternd zu.
»Ich weiß beim besten Willen nicht, was ich in der Nacht getan habe. Jedenfalls nicht genau. Irgendwann zwischen zwölf und eins bin ich zu Bett gegangen, aber davor? Doch, jetzt fällt’s mir wieder ein. Ich hatte ein paar Unterlagen mitgenommen, die ich an diesem Abend zu Haus durchlesen wollte.«
»Sie leben allein, Mr. Brisbane?«
»Ja.«
»Es gibt also niemanden, der bestätigen kann, dass Sie andiesem Abend zu Hause waren? Keine Vermieterin? Keine Freundin? Keinen – äh – männlichen Freund?« Brisbane runzelte indigniert die Stirn. »Nein, niemanden. Wobei ich es allerdings irritierend finde, wenn Sie so tun, als wäre das außergewöhnlich.«
»Wo wohnen Sie denn, Mr. Brisbane?«
»In der Neunten, in der Nähe des Universitätsplatzes.«
»Ach? Das ist ja interessant. Gerade mal zwölf Häuserblocks vom Tompkins Square Park entfernt, wo der zweite Mord begangen wurde.«
»Nun, da handelt es sich zweifellos um einen Zufall, dem Sie ja wohl keine Bedeutung beimessen werden.«
»Ja, die Welt ist voller Zufälle«. Custer ließ den Blick über den in Dunkel getauchten Central Park schweifen. »Also könnte es auch ein Zufall sein, dass der erste Mord dort unten begangen wurde, genau unter Ihrem Fenster, im Labyrinth.«
Die Furchen auf Brisbanes Stirn wurden tiefer. »Also wirklich, Captain, allmählich habe ich das Gefühl, dass das keine Befragung mehr ist, sondern nur noch eine Aneinanderreihung von Spekulationen!« Er schob den Schreibtischsessel zurück und stand auf. »Und nun wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie endlich geeignete Maßnahmen ergreifen würden, um Ihre Leute aus dem Museum abzuziehen.«
Custer schielte abermals zu Noyes hinüber. Halten Sie sich bereit!, signalisierte sein Blick.
»Da wäre nur noch eins zu klären, und zwar im Zusammenhang mit dem dritten Mord. Kennen Sie einen gewissen Oscar Gibbs?«
»Ja, ich denke schon. Er war Mr. Pucks Assistent.«
»Richtig. Und den Aussagen von Mr. Gibbs zufolge hatten Sie und Mr. Puck am Nachmittag des zwölften Oktober im Archiv … nun, sagen wir: eine kleine Diskussion. Zu dieser Zeit wussten Sie schon, dass Ihre Idee, Mr. Puck zu entlassen, von der Personalabteilung nicht unterstützt wurde.«
Brisbanes Gesicht verfärbte sich leicht ins Rötliche. »An Ihrer Stelle würde ich nicht alles glauben, was geredet wird.« Custer lächelte milde. »Sie können absolut sicher sein, dass ich keineswegs alles glaube, was mir erzählt wird.« Er machte eine kleine Kunstpause, um die Spannung zu erhöhen. »Aber dieser Mr. Gibbs hat mir erzählt, dass Sie und Puck sich am besagten Nachmittag regelrecht angeschrien haben. Das heißt, seiner Erinnerung nach haben
Sie
Mr. Puck angeschrien. Würden Sie mir freundlicherweise verraten, worum es da ging?«
»Ich habe Mr. Puck eine Rüge erteilt.«
»Weswegen?«
»Wegen Nichtbefolgung meiner Anweisungen.«
»Welche Anweisung hatte er denn nicht befolgt?«
»Die Anweisung, sich auf seine eigentlichen Aufgaben zu konzentrieren.«
»Und inwiefern hat er das nicht getan?«
»Indem er sich um Dinge gekümmert hat, die nicht zu seinen Aufgaben gehörten. Zum Beispiel, Miss Kelly bei ihren externen Recherchen zu unterstützen. Obwohl ich ihn ausdrücklich angewiesen hatte …«
Schluss damit! Es ist an der Zeit, Tacheles zu reden!
»Augenblick mal!«, fiel Custer Brisbane ins Wort. »Nach den Aussagen von Mr. Gibbs haben Sie – und ich zitiere wörtlich aus meinen Notizen – gebrüllt, Mr. Puck angeschrien und ihm gedroht, ihn in der Versenkung verschwinden zu lassen.« Custer hob den Blick. »Das sind Ihre eigenen Worte: ›Ihn in der Versenkung verschwinden lassen.‹«
»Na ja, das ist so eine allgemeine Redensart.«
»Und keine vierundzwanzig Stunden später wurde Puck ermordet im Archiv aufgefunden. Regelrecht ausgeschlachtet und zudem auf einem Dinosaurierhorn aufgespießt. Für so eine
Operation
, um es mal so zu nennen, braucht man Zeit. Der Mörder muss sich also im Archiv des Museums gut ausgekannt und gewusst haben, wie er ungesehen verschwindenkann. Zweifellos ein Insider. Und dann erhielt Miss Kelly die mysteriöse, auf Pucks uralter Schreibmaschine getippte Nachricht, sie solle bitte baldmöglichst ins Archiv kommen. Wo der Mörder schon auf sie gewartet und erbarmungslos Jagd auf sie gemacht hat. Nora Kelly, die auch zu denen gehörte, auf
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